Der Suender und die Lady
wohlbehalten nach Hause zu holen.“
Lady Claire atmete tief durch und nickte. Sie versuchte eindeutig, mit der geballten Kraft einer Mutter die Fassung zu wahren. „Ganz gleich, wie wir sie vorfinden. Sie ist meine Tochter, mein Liebling. Gott ist mein Zeuge, etwas anderes wird die Welt nie von mir hören. Dein Onkel …“ Sie presste die Faust an den Mund. „Dein Onkel bereitet schon in aller Stille Mirandas Verheiratung mit dem Sohn des Gutsherrn in Mentmore vor. Der Junge ist einfältig, um Himmels willen, doch Seth meint, das wäre gut so, da er nicht merken wird, dass er schadhafte … schadhafte Ware erhalten hat. Ich glaube … ich glaube, Seth wäre es lieber, wenn sie tot wäre. Aber sie kann nicht tot sein. Sie kann einfach nicht!“
Regina streckte die Arme aus, und ihre Tante schmiegte sich in die Umarmung, bettete den Kopf an die Schulter ihrer Nichte und ließ ihrem Kummer freien Lauf. Regina führte Claire, die einer Ohnmacht nahe war, zu einem Sessel, setzte sich neben sie und hielt ihre Hände, während sie weinte.
Als mit einem Gong zum Abendessen gebeten wurde, waren beide Frauen nicht in der Lage, hinunterzugehen. Regina wusste nicht einmal, wie sie zulassen konnte, dass sie hier allein blieben, da sie beide, jede aus ihrem eigenen Grund, so verletzlich waren.
Doch sie musste Puck sehen, musste mit ihm reden. Als sie ihr Bad nahm, hatte sie alles, was sich an diesem ziemlich ereignisreichen Tag zugetragen hatte, noch einmal überdacht. Sie hatte daran gedacht, wie entzückt sie gewesen war, ihn in der Livree von Mentmore auf dem Kutschbock zu sehen. Sie hatte überlegt, wie er wohl ausgesehen haben mochte, als er den Stockdegen schwang und Davy Tripp vor dem Messer eines Mörders bewahrte.
Sie dachte daran, wie er sie geküsst, sie berührt hatte … und wie sie reagiert hatte. Während sie mit dem eingeseiften Schwamm über ihre Haut fuhr, wurde ihr heiß bei der Erinnerung daran.
Sie würden Miranda finden. Sie hatte sich fest vorgenommen, ihre Cousine zu finden, und sie würde sie auch finden! Sie retten. Mit Pucks Hilfe, denn er war anscheinend genauso entschlossen wie sie.
Sie würden hier bleiben, verborgen in diesem schönen herrschaftlichen Haus am Grosvenor Square, keine Meile entfernt von der Residenz ihres Vaters, der Frau und Tochter in diesem Moment auf halbem Weg nach Mentmore wähnte.
Ihre Tante und ihre Mutter waren als Anstandsdamen mehr als genug.
Das alles war einigermaßen abenteuerlich, aber größtenteils auch vernünftig.
Am Ende der Woche oder früher, falls Miranda aufgespürt war, würden ihre Mutter, ihre Tante und sie selbst wieder in die Mentmore-Kutsche steigen und in ihre Londoner Wohnsitze zurückkehren.
Und das war es dann. Ein Abenteuer, eine Rettungsaktion, eine gute Tat, ein bereinigter Fehler.
Danach durfte sie Puck nie wieder sehen. Nie wieder mit ihm reden. Nie wieder zusehen, wie sein träges Lächeln breiter wurde und der Schalk in seinen Augen blitzte. Nie wieder würde sie seine Zärtlichkeit erleben. Seinen Kuss.
Eine Woche. Sieben Tage, wenn nicht gar weniger, um zu erfahren, wie es für eine Frau ist, von einem Mann wie Robin Goodfellow Blackthorn geliebt zu werden. Denn ganz gewiss konnte kein Mann, den ihr Vater für sie auswählte, mit den Herrlichkeiten mithalten, die Puck an jenem Abend im Garten hinter dem scheußlichen Lagerhaus angedeutet hatte.
Der Fischgeruch war ihr nicht aufgefallen, weil Puck zugegen war. Sie hatte die Erbärmlichkeit hinter den Kübelpalmen und Draperien nicht gesehen, weil Puck ihr in die Augen geschaut und sie für alles andere blind gemacht hatte. Die grelle Billigkeit der Veranstaltung hatte sie nicht abgeschreckt, weil sie sich nicht billig oder unmoralisch gefühlt hatte, als er sie küsste, berührte, ihr aufregende, dreiste, unanständige Dinge ins Ohr flüsterte.
Sie hatte sich lebendig gefühlt. So lebendig. Wie vor gar nicht langer Zeit im Salon. Nicht verrucht, nicht unanständig, nicht einmal einfach nur neugierig. Lebendig.
„Oder“, flüsterte sie unhörbar, als Lady Claire an die Seite ihrer Schwägerin zurückkehrte, „wie mein dämlicher Cousin es ausdrückte und ich jetzt zu verstehen glaube: bereit.“
Sie rutschte ein wenig in ihrem Sessel herum, denn jene bislang uninteressante Stelle zwischen ihren Schenkeln wurde warm, kribbelte. Sie presste die Schenkel fest zusammen und konzentrierte sich auf das Gefühl, während sie sich noch einmal ein wenig wand und die Schenkel
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