Der suendige Engel
unmöglich machte.
Also blieb nur noch die eine Möglichkeit: Zurück in die Höhle des Löwen! Sie mußte auf irgendeine Weise wieder in den Palast gelangen und diese Vampirin finden, aus ihr herauspressen, was hier gespielt wurde!
Lilith schlug die Richtung zum Palast ein. Aber sie kam nicht weit. Die geflügelten Kreaturen schienen sich nach ihrer vergeblichen Suche um die Palastbauten herum zusammengezogen zu haben. Sie bildeten eine dichte Linie, die sie niemals ungesehen würde passieren können.
Lilith hatte keine Wahl: Sie mußte umkehren, bevor man auf sie aufmerksam wurde. Innerhalb des vierten Ringes, zwischen den Be-hausungen der zombiehaften Vampire, ging sie nieder.
Nun blieb ihr nichts mehr, als zu warten und darauf zu hoffen, doch noch einen Weg in den Palast zu finden.
Verdursten würde sie nicht. Seit sie auf das schwarze Blut der Vampire angewiesen war, war ihre Ernährung zum Problem geworden - aber nicht hier. Der Tisch war reich gedeckt. Aber es war ein Mahl, vor dem Lilith sich ekelte.
*
Endlose Stunden waren vergangen, als Lilith aus ihrem Versteck heraus beobachtete, wie plötzlich Bewegung in die Vampir-Zombies auf den Straßen kam. Sie schauten immer öfters zum Himmel hoch, als fürchteten sie von dort eine Gefahr.
Lilith hing in ihrer Fledermausgestalt unter einem vorspringenden Dach, von wo aus sie einen hervorragenden Blick auf eine der belebteren Gassen hatte. Wie lange sie dort schon ausharrte, wußte sie nicht. Dadurch, daß in dieser Stadt nur Dunkelheit herrschte, verlor man jegliches Zeitgefühl.
Dann sah sie, weshalb die Wesen immer öfter zum Himmel blickten.
Drei der Kreaturen aus dem Palast kamen herangeflogen und landeten mitten auf der Straße. Die Vampir-Zombies reagierten nur schwach. Einige versuchten so etwas wie Flucht, aber sie waren so unendlich langsam und unbeholfen, daß es nur lächerlich wirkte.
Die Geflügelten entfalteten ein riesiges, großmaschiges Netz, breiteten es auf dem Boden aus und begannen damit, einige der Vampire darauf zusammenzutreiben. Es war ihnen anzusehen, daß sie diese Aufgabe mit großem Vergnügen erledigten, als könnten sie es kaum erwarten, ihre Grausamkeit endlich auszuleben. Sie trieben die Vampire wie Vieh vor ihnen her, traten und schlugen sie.
Eine der Frauen fiel zu Boden. Die Kreatur, die sie gestoßen hatte, trampelte einfach über sie hinweg. Ihr massiger Körper zerquetschte die Vampirin regelrecht. Das, was von ihr übrig blieb, krümmte sich in noch groteskeren, sinnlosen Zuckungen auf dem Boden weiter.
Schließlich hatten die geflügelten Wesen ein halbes Dutzend Vampire auf dem ausgelegten Netz versammelt. Sie standen auf engstem Raum und warteten teilnahmslos ab. Die Unruhe, die Lilith zuvor an ihnen bemerkt hatte, war wieder einer allumfassenden Lethargie gewichen.
Nun ergriffen die Geflügelten die Enden des Netzes, erhoben sich in die Lüfte und zogen das Netz dabei zusammen.
Lilith sah ihnen nach, wie sie mit ihrer grotesken Fracht davonzogen. Wenn sie sich nicht sehr täuschte, dann schlugen sie die Richtung zum Palast ein, der mitsamt seinen vielen Nebenbauten im zweitinnersten Ring der Stadt eingebettet lag. Über den Grund der Aktion konnte sie nur mutmaßen. Vielleicht dienten die Vampire ja als Nahrung für die geflügelten Wesen ...
Da kam ihr eine Idee. Wenn die Kreaturen mit ihrem Fang wirklich zum Palast zurückflogen, war dies eine Chance, unbemerkt dort hineinzugelangen!
Bald hatte Lilith sich einen Plan zurechtgelegt, der nicht ohne Risiko war und vor allem Geduld von ihr erforderte. Aber Geduld war in dieser Stadt vielleicht das einzige, womit sie etwas ausrichten konnte .
*
Die Vampir-Zombies in den Straßen schienen es wiederum als erste zu merken, daß Gefahr im Anflug war. Ihre Bewegungen wurden um eine Spur unkontrollierter, und ihre Augen hoben sich immer öfter gen Himmel.
Mit scharfem Blick suchte auch die Halbvampirin das finstere Firmament ab, bis sie inmitten der Schwärze die sich bewegenden Punkte sah, die rasch näherkamen.
Die Zeit zum Handeln war gekommen!
Lilith ließ sich auf den Boden fallen und verwandelte sich in ihre menschliche Gestalt zurück. Neben dem Haus befand sich ein Berg mit Unrat. Sie bückte sich und bediente sich mit beiden Händen aus einem Berg von Asche und Dreck, schmierte sich das Gesicht, Hals und Hände damit ein, so daß sie genauso mitgenommen und vernachlässigt aussah wie die anderen Vampire dieser Stadt. Gleichzeitig befahl sie dem
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