Der süße Hauch von Gefahr
zwar auch zwielichtige Gestalten, aber alle waren überzeugt, dass niemand aus dem Ort oder der näheren Umgebung zu so einer hinterhältigen Tat imstande war.
In der Zeit nach dem Mord an seinem Stiefvater hatte Asher außer für seine Frau für nichts anderes Zeit gehabt, als seine Geschwister zu trösten und all das zu erledigen, was nach dem Tod eines Familienangehörigen zu tun war. Nach der Abreise seiner Schwestern jedoch fand er, dass er sich nun der Aufgabe widmen konnte, den Tod seines Stiefvaters zu rächen.
Sobald Asher von dem Mord erfahren hatte, hatte er gewusst – und zwar mit einer Gewissheit, als hätte er es mit eigenen Augen gesehen –, dass Ormsby Denning erschossen hatte. Er zog keine voreiligen Schlüsse. Nach allem, was er über die Beziehung zwischen dem Marquis und dem Oberst wusste und was er sich zusammengereimt hatte, gab es nur eine richtige Schlussfolgerung: Denning hatte Ormsby erpresst. Das Opfer einer Erpressung zu sein, sagte sich Asher, gab Ormsby ein starkes Motiv, den Oberst tot sehen zu wollen. Und Asher hatte schließlich am eigenen Leib erfahren, dass Ormsby zu Mord imstande war. Er war restlos davon überzeugt, dass Ormsby Denning umgebracht hatte, und wenn er noch einen weiteren Grund benötigt hatte, Ormsby zu töten – was nicht der Fall war –, dann hätte Ormsbys Mord an seinem Stiefvater ihm den geliefert.
Sich bitter des Umstandes bewusst, dass es niemandem sonst einfallen würde, den Marquis of Ormsby zu verdächtigen, seine Hand bei einem so niederträchtigen Verbrechen wie einem Mord im Spiel zu haben, hatte es ihn nicht weiter überrascht, dass der Name des Marquis’ nicht einmal im Zusammenhang mit dem Mord erwähnt worden war. Was ihn nicht im Geringsten störte – er hatte seinen eigenen Plan für den Marquis und keine Skrupel ihn umzubringen –, nicht mehr, als bei einer Ratte in einem Getreidefass.
Ormsby hatte auffälligerweise an keiner der verschiedenen Trauerfeierlichkeiten teilgenommen, die im Zusammenhang mit Dennings Tod stattgefunden hatten, was Asher nicht entgangen war. Ein schlechtes Gewissen? Das bezweifelte Asher. Aber der Gedanke an ein schlechtes Gewissen erinnerte ihn an etwas, das er bislang aufgeschoben hatte. Er entschied, dass er zwei überfällige Besuche machen würde.
Der Squire und seine Familie und die Birrels waren zu allen Trauerveranstaltungen erschienen und hatten den Hinterbliebenen ihr Beileid ausgesprochen. Aber zu Ashers Verwunderung hatten der Squire und Mrs Birrel ihm beide Nachrichten zukommen lassen, in denen sie um ein vertrauliches Gespräch baten. Da er bislang so beschäftigt gewesen war, hatte Asher es noch nicht geschafft. Nachdem er nun aber alle dringenden familiären Verpflichtungen erfüllt hatte, ritt er noch am selben Nachmittag zum Haus des Squires.
Mit ernster Miene empfing ihn Squire Ripley und sagte düster:
»Sie müssen unbedingt mit Mrs Birrel sprechen. Sie war im Gig bei ihm, als er starb. Er hat mit ihr gesprochen. Ich konnte nichts verstehen … außer, dass er wollte, dass man Ihnen etwas mitteilt. Er hat immer wieder verlangt: ›Sagen Sie es Asher.‹ Aber fragen Sie Mrs Birrel.« Er schüttelte den Kopf.
»Es ist eine furchtbare Sache, die da geschehen ist. Sie wissen, dass Sie und Ihre Familie unser aufrichtigstes Mitgefühl haben. Wenn wir irgendetwas für Sie tun können, reicht ein Wort.«
Eben hatte er zum ersten Mal gehört, dass Denning noch am Leben gewesen war, als er von Mrs Birrel und dem Squire gefunden wurde. Neugierig geworden schwang Asher sich wieder in den Sattel und ritt direkt zum Pfarrhaus. Man brachte ihn in den gemütlichen Salon auf der Vorderseite des Hauses, und Mrs Birrel begrüßte ihn herzlich und erklärte:
»Oh, mein lieber Junge! Es tut mir ja so leid wegen Ihres Verlustes – es ist eine solche Tragödie.«
Ohne darauf einzugehen, sagte er:
»Entschuldigen Sie bitte, dass ich nicht früher kommen konnte. Sie wollten mit mir unter vier Augen sprechen?«
Sie nickte.
»Ich hätte es Ihnen einfach erzählen sollen, als wir Sie besucht haben, gleich nach dem Tod Ihres Stiefvaters. Aber ich wollte Sie zu dem Zeitpunkt nicht damit belasten, weil ich fürchte, es ist nichts als Unsinn – in einer derart schmerzlichen Stunde sicher unangebracht.«
»Berichten Sie mir bitte, was er gesagt hat«, bat Asher ruhig.
»Scho…ßer Bu…?«, fragte er ungläubig, nachdem sie seinem Wunsch nachgekommen war und die Worte des sterbenden Denning wiederholt
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