Der süße Hauch von Gefahr
ihre Hand und hauchte einen Kuss auf die Finger. Dann richtete er sich auf, und ein neckendes Funkeln trat in seine leuchtend blauen Augen, als er von der einen zur anderen schaute.
»Ich darf mich wahrhaftig glücklich schätzen – ich habe zwei wunderschöne Damen, die heute Nachmittag meine Tafel zieren.«
Weder durch Worte noch Blicke verriet Asher den ganzen Nachmittag über etwas anderes als echte Freude an der Gesellschaft seiner Frau und seiner Großmutter. Er plauderte leichthin über Viehzucht und seine Pläne, die Zuchtqualität der Herden auf Fox Hollow zu verbessern, ließ sein Kompliment über die köstlichen Speisen zum Imbiss in die Küche schicken und bekundete Interesse an Apolls Vorliebe für Mrs Manleys Seidenpantoffeln. Und schließlich wollte er von seiner Frau wissen, wie ihr Tag verlaufen sei. Jeder unbefangene Beobachter hätte entschieden, dass die Sorge seiner Frau und seiner Großmutter unbegründet war.
Aber Asher war sich natürlich bewusst, dass er mit seinem Verhalten den beiden Menschen, die ihm am wichtigsten waren, Leid bereitete. Und das musste aufhören, dachte er ergrimmt, während er auf eine Frage seiner Großmutter antwortete. Unseligerweise wusste er zu gut, dass es erst aufhören konnte, wenn Ormsby tot war.
Wie ein Seiltänzer auf einem straff gespannten Seil fühlte sich Asher, wenn er versuchte, seine Mordgedanken unter Kontrolle zu halten, die dunkle, gewalttätige Seite von ihm tief in sich zu vergraben und der Welt nur den liebevollen Ehemann und Enkel zu zeigen. Bis heute hätte er gedacht, dass ihm das recht gut gelang, aber wie es aussah, hatte er sich getäuscht. Obwohl sie es beide zu verbergen suchten, war es offenkundig, dass seine Frau und seine Großmutter zutiefst in Sorge um ihn waren. Er seufzte. Es gab nur einen Weg, diese Qual zu beenden, und während er von der einen zur anderen Frau schaute, entschied er, dass die Zeit des Marquis’ of Ormsby abgelaufen war.
John kam hinzu, gerade als sie ihre Mahlzeit beendeten. In einer Hand hielt er ein Buch. Nachdem er alle begrüßt und eine Erfrischung abgelehnt hatte, reichte John Asher den Band und setzte sich neben seine Großmutter.
»Ich habe vor, morgen nach Brighton aufzubrechen«, erläuterte John, »und bin heute Nachmittag noch ein paar Sachen von Vater durchgegangen. Dabei habe ich dieses Buch gefunden.« Er schluckte.
»Es war in der Reisetasche, die er bei sich hatte, als er getötet wurde.« Mit einem gezwungenen Lächeln sagte er:
»Da er dir seine Bibliothek hinterlassen hat, dachte ich, es sei nur richtig, wenn ich es dir bringe.«
Es war ein dicker Band, und als er ihn entgegennahm, blickte Asher auf den Buchrücken. Er versteifte sich. Scho…ßer Bu… Chaucer. Buch.
Er legte das Buch hin und starrte es an, als sei es eine Schlange. Die Worte seines sterbenden Stiefvaters konnten sich nur auf dieses Buch bezogen haben. Und etwas, das sich in diesem Buch befand – in einem der Gedichte? –, hatte Denning für wichtig für ihn gehalten. Der Oberst hatte gewollt, dass er es unbedingt erfuhr. Aber war es etwas, das Asher überhaupt wissen wollte? Angst erfasste ihn wie eine Welle, und er bekam kaum Luft. Hatte Denning etwa herausgefunden, woher sein Geld stammte? Was er getan hatte, um die Familie zu versorgen? Was, wenn sich in diesem so unschuldig aussehenden Buch ein Beweis für sein Doppelleben verbarg? Ein Beweis, der alles zerstören würde, wofür er so viele Opfer gebracht hatte …
Er blickte sich am Tisch um und stellte fest, dass ihn alle ansahen. Er verzog seine Lippen zu der Grimasse eines Lächelns.
»Ach, danke, John. Ich werde es zu den anderen Büchern stellen. Vielleicht lese ich es sogar eines Tages, obwohl Gedichte sonst bestimmt nicht meine erste Wahl wären.«
»Um was für ein Buch handelt es sich denn, Lieber?«, erkundigte sich Mrs Manley, die ihn eindringlich beobachtete.
Er wünschte sich, seine Großmutter wäre nicht ganz so klug und antwortete zögernd:
»Chaucers Gedichte.«
Seine Großmutter wirkte verwundert, dann schnappte sie nach Luft. Wie Asher hatte auch sie es sich zusammengereimt. Aufgeregt sagte sie:
»Das war es, was er zu sagen versucht hat, bevor er gestorben ist. Scho…ßer Bu…«
Als John und Juliana sie nur verständnislos anschauten, erklärte sie:
»Chaucers Buch der Gedichte.«
Julianas Augen weiteten sich.
»Natürlich! Und er hat es mit nach London genommen.« Lächelnd sagte sie zu ihrem Ehemann:
»Vielleicht hat er
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