Der sueße Kuss der Luege
in Gefahr.«
Damit lässt sie mich einfach stehen und geht zu den Kollegen an den aufgebauten Extra-Telefonen. Sie nicken ihr zu und bestätigen, dass die Leitung zu der Boeing 747 jetzt steht. Drei Kollegen setzen sich Kopfhörer auf, um mitzuhören, was mir erst komisch vorkommt, aber dann dämmert mir, dass die Beamten vermuten, das hier könnte eine abgekartete Sache sein. Aber gleich werden sie hören, wie sehr sie sich irren.
Ich habe zwar rasende Angst, trotzdem möchte ich Yukiko selbst sagen, was passiert ist. Doch die Rolfs lehnt das ab. Ich bin also gezwungen, danebenzustehen und zuzuhören, wie die Beamtin vollkommen schonungslos und genau erzählt, was passiert ist. Andererseits, was gibt es da noch zu beschönigen? Außerdem müssen wir uns beeilen, wenn wir bis achtzehn Uhr wirklich zwei Millionen beschaffen wollen. Denn in dem Punkt hat die Polizistin recht, so viel Geld kann nur Christian heranbringen. Hoffentlich.
Plötzlich zuckt die Rolfs zusammen, sicher hat mein Bruder das Gespräch übernommen. Er brüllt so laut, als wollte er die Entfernung von Hongkong bis Frankfurt persönlich überbrücken und uns mit seiner Stimme zu Tode prügeln. Er verlangt, mit mir zu sprechen.
Kriminaldirektorin Rolfs zögert, bittet ihn, sich zu beruhigen, Idas Leben stünde auf dem Spiel. Falscher hätte sie es nicht anpacken können. Er antwortet auf keine ihrer Fragen, ist zu keinem Gespräch bereit und will nur mit mir reden. Schließlich reicht sie mir genervt den Hörer. »Sehen Sie zu, dass er uns sagt, wie wir an das Geld kommen«, flüstert sie mir zu.
»Was ist da passiert, Lu? Was soll das werden? Ist das einer von Bastis ganz miesen Telefonscherzen?«
»Nein, kein Witz, wir könnten doch gar nicht bei euch im Flieger anrufen!« Ich muss mich sehr beherrschen, um nicht loszuschluchzen. »Nein, Ida ist wirklich entführt worden und die Kidnapper wollen zwei Millionen.«
»Wie konnte das passieren, Lu? Was hast du getan? Wenn Ida auch nur ein Haar gekrümmt wird, drehe ich dir den Hals um.« Mein Blick fällt auf den abgeschnittenen Zopf in dem Päckchen und ich möchte nur noch tot sein.
»Lu, wir haben uns auf dich verlassen! Wir haben dir unser Kostbarstes und Liebstes anvertraut! Was ist denn?« Offensichtlich dreht er sich weg vom Hörer und ich höre Yukikos Stimme im Hintergrund, die auf Christian einredet, und schließlich ist sie selbst dran. Beherrscht und sachlich wie immer. »Lu, wir werden alles tun, um Ida zu retten. Sobald wir gelandet sind, steigen wir in den nächsten Flieger, sind aber trotzdem – und nur wenn alles gut geht – erst morgen Mittag wieder in Frankfurt.« Ihre Stimme wird zittrig. »Du weißt, ich habe nur Ida, was auch immer die Entführer verlangen, du tust es. Lu, ich verlasse mich auf dich.«
Jetzt rinnen mir doch wieder die Tränen über die Wangen. Wie kann sie so sachlich mit mir sprechen, nachdem ich dermaßen versagt habe? »Yukiko, ich, es tut mir leid, so leid.«
»Dafür haben wir jetzt keine Zeit.« Yukiko hat ihre Stimme wieder im Griff und auch ich versuche, mich zu fassen. »Was genau verlangt der Entführer?«
Ich sage es ihr noch einmal und sie verspricht uns, dass wir jede Unterstützung der Money-Bank bekommen, die wir brauchen, Christian und sie werden dafür sorgen. »Und was will der Kidnapper sonst noch?«, insistiert Yukiko und ich frage mich, wieso sie glaubt, es gäbe noch etwas.
»Er will, dass ich das Geld übergebe.«
»Gut, Lu. Dann wirst du das für uns tun, oder?«
Ich spüre, wie die Beamten im Raum alle gleichzeitig den Kopf schütteln. »Die Polizisten wollen mir das nicht erlauben«, kann ich gerade noch sagen, bevor mir die Rolfs mit brachialer Gewalt den Hörer abnimmt, doch nach ein paar Sekunden gibt sie ihn mir achselzuckend wieder zurück.
»Lu, hörst du mich? Du wirst alles tun. Verstehst du, was ich sage, bitte, du musst ALLES versuchen, um mir Ida wiederzubringen. Wenn die Kidnapper das Geld nur von dir wollen, dann wirst du es ihnen geben, ganz egal, was diese Holzköpfe von Polizisten dir sagen. Was auch immer der Kidnapper verlangt, du wirst es tun, hast du mich verstanden?«
»Aber…«
»Diese Kidnapper sind schlauer, als die Polizei glaubt.« Jetzt ist es vorbei mit Yukikos Beherrschung, solch eine Verzweiflung habe ich noch nie in ihrer Stimme gehört. »Lu, diese Gangster wissen Dinge, die niemand wissen kann.«
Ja, denke ich, ganz genau, und zwar aus dem einzigen Grund, weil ich Idas Entführer in
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