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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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nach einem letzten kleinen Scherz bei Dienstschluss in den Regenmantel zu schlüpfen, sich von den anderen zu verabschieden, zum Wagen zu laufen und loszufahren, bis ihr an der fünften Kreuzung ein Betrunkener mit seinem Pick-up ins Auto raste. Selbst nachdem sie schon tot war, als sie wussten, dass es keine Hoffnung mehr für sie gab, hatten sie weitergemacht.
    So erschöpft er auch war, er fand keinen Schlaf und starrte an die Decke. Seit einiger Zeit, wurde ihm plötzlich bewusst, hatte die Frage, wann sie ihm nicht mehr fehlen würde, aufgehört, ihn zu quälen. Er hatte begriffen, dass er nie über ihren Tod hinwegkommen würde, und sich genügend mit seinem Schicksal ausgesöhnt, um die Tage irgendwie durchzustehen.
    Er rappelte sich auf und ging ins Zimmer seiner jüngsten Tochter, wo er an die Kommode trat und einige der Mädchensachen beiseiteräumte, die sich darauf türmten – ein Kästchen voller Perlen, Ringe und Schleifen, ein Teddy mit einem Ohr, ein altes Ringbuch mit losen Hausaufgaben-Blättern, ein Sammelsurium von Kämmen, Bürsten und Spangen. Er brauchte nicht lange, bis er gefunden hatte, was er suchte: ein kleines Foto in einem Silberrahmen. Er hielt es hoch. Der Rahmen blitzte in der Sonne.
    Es war ein Bild von zwei Mädchen, eins schwarz, eins weiß, eins mit dunklem, eins mit blondem Haar, die Arm in Arm, mit breitem Zahnspangengrinsen, wild verschmiertem Make-up und in schrill bunter Verkleidung für die Kamera posierten.
    Versonnen betrachtete er die beiden Gesichter auf dem Bild.
    Freundinnen, dachte er. Wer dieses Foto sah, erkannte auf Anhieb, dass für sie nichts anderes zählte, dass die beiden sich einfach mochten, ihre Geheimnisse, ihre Gefühle, Tränen und Späße miteinander teilten. Das Foto hatte er zu Halloween gemacht, sie waren damals neun gewesen und hatten für seine Schnappschüsse albern und ausgelassen Fratzen geschnitten.
    Als er im Geist das höhnische Gesicht von Blair Sullivan vor sich sah, konnte er die Wut kaum bändigen. Hoffentlich hat es weh getan, dachte er. Ich hoffe, es hat dir unter den größten Qualen die Seele aus dem Leib gerissen. Sullivans Gesicht verblasste, und er musste an Ferguson denken.
    Du meinst, du bist frei. Du glaubst, du kommst damit durch. Vergiss es.
    Er senkte den Blick und starrte auf das Foto. Besonders gefiel ihm, wie sich die beiden Mädchen, eng aneinandergeschmiegt, die Arme um die Schultern geschlungen hatten.
    Ihre erste und beste Freundin.
    Er blickte in Joanies Augen. Sie waren strahlend blau, von derselben Farbe wie der Himmel an dem Morgen, als sie seine Frau zu Grabe trugen. Er hatte ein Stück abseits von den übrigen Trauergästen gestanden und seine Töchter gehalten, während die monotonen Worte des Pastors, der von Glauben und Ergebenheit, von Liebe und Heimkehr sprach, an ihm vorbeirauschten, ohne dass er viel davon mitbekam. Er war wie gelähmt gewesen, außerstande, auch nur einen Schritt zu machen. Seine Kinder fest an sich gedrückt, nahm er nichts anderes wahr als das Beben ihrer Körper und ihr Schluchzen. Er wünschte sich damals, nichts als Wut zu empfinden, dabei wusste er genau, dass die Dinge nicht so einfach waren, dass ihn diese dumpfe Qual für den Rest seines Lebens begleiten würde – und obendrein die Angst, mit seiner Frau auch seine Töchter zu verlieren, weil sie, ohne die Schwerkraft ihrer Mutter, auseinanderdriften könnten. Es hatte ihm die Sprache verschlagen, er hatte nicht gewusst, was er den Mädchen sagen sollte, wie er sie, besonders Samantha, die seit dem Unfall nur noch weinte, trösten konnte.
    Die anderen Trauergäste waren auf Abstand geblieben, doch Joanie Shriver hatte sich von der Hand ihres Vaters losgerissen, war mit dem Ernst einer Erwachsenen an all den Leuten vorbeigegangen und vor ihm stehen geblieben. »Mach dir keine Sorgen um Samantha. Sie ist meine Freundin, ich kümmere mich um sie.« Dabei hatte sie seine Tochter an die Hand genommen und nicht mehr losgelassen.
    Und sie hatte Wort gehalten. Jedes Mal, wenn Samantha jemanden brauchte, war sie da gewesen. Am Wochenende. An einsamen Feiertagen. Nach der Schule. Sie hatte ihnen dabei geholfen, in ihr Leben wieder Routine und Stabilität einkehren zu lassen. Neun Jahre alt und um vieles klüger als irgendein Erwachsener.
    Sie war, dachte er, mehr als nur Samanthas Freundin. Sie war auch meine Freundin. Sie hat uns wieder auf die Beine geholfen.
    Er fühlte eine Woge von Selbsthass. Und trotz aller Autorität und Macht

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