Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
und lief erneut im Zimmer auf und ab. »Es gab Beweise, verflucht noch mal. Es war logisch. Es war absolut logisch. Verdammt. Verdammt.«
In einer Aufwallung von ohnmächtiger Wut packte er den nächstbesten Zeitungsstapel und fegte ihn zu Boden. Bevor er dort auftraf, packte Cowart schon einen Tisch und schmetterte ihn gegen das Sofa. Das Krachen der Möbelstücke klang berauschend. Er fing an, Obszönitäten zu murmeln, wurde immer hektischer und richtete seine Zerstörungswut gegen das Zimmer. Teller landeten klirrend auf dem Boden, dicht gefolgt von sämtlichen Büchern aus einem Regalfach. Er stieß Stühle um, schlug gegen die Wände und warf sich schließlich neben dem Sofa auf den Boden.
»Woher in Gottes Namen hätte ich das denn wissen sollen?«, brüllte er. Zur Antwort schlug ihm eisiges Schweigen entgegen. Ihn überkam eine andere Art von Erschöpfung. Er lehnte den Kopf zurück und starrte an die Decke. Im nächsten Moment lachte er los. »Junge, Junge, Junge«, sagte er und äffte einen schwermütigen Hollywood-Südstaaten-Singsang nach, »du hast es grandios versaut. Aber so richtig, im ganz großen Stil vermasselt und versaut.« Er zog die Worte wie Kaugummi in die Länge und starrte auf das Chaos, das er angerichtet hatte.
Dann saß er senkrecht. »Also gut, wie geht’s jetzt weiter?«
Schweigen. »Hätte ich nicht besser formulieren können«, sagte er und musste wieder lachen. »Wenn wir das nur wüssten, stimmt’s?«
Er stand auf, bahnte sich einen Weg zu seinem Schreibtisch und zog die oberste Schublade auf. Er stöberte in einem Stoß Zeitungen, bis er die Sonntagsausgabe mit seinem ersten Artikel fand. Sie war ein Jahr alt und schon ein wenig vergilbt. Der Druck fühlte sich unter den Fingern spröde an. Die Schlagzeile sprang ihm entgegen, und er fing an, den Artikel zu lesen.
»Fragen zum Mädchenmord in Pachoula«, fasste er den Inhalt des ersten Abschnitts zusammen. »Nein, wer hätte das gedacht.«
Er las, so weit er konnte – die Einleitung unter der Schlagzeile, die Fortsetzung auf der Folgeseite und schließlich den Hauptteil auf der Doppelseite. Das Foto von Joanie Shriver wagte er nicht anzusehen, umso wütender starrte er auf die Fotos von Sullivan und Ferguson.
Er war drauf und dran, die Zeitung frustriert zusammenzuknüllen und in den Papierkorb zu werfen, als er zusammenzuckte und noch einmal hinsah. Er las von vorne und machte sich daran, einzelne Wörter und Passagen mit einem gelben Marker hervorzuheben. Alles, was er bisher gelesen hatte, stimmte. Er konnte nichts entdecken, was der Wahrheit widersprach. Keine Ungenauigkeiten.
Außer natürlich alles zusammen.
Noch einmal ging er seinen Text durch. Die »Fragen«, die der Fall aufwarf, waren ausnahmslos richtig gestellt. Robert Earl Fergusons Verurteilung beruhte auf äußerst dürftigen Beweisen, zustande gekommen in einer Atmosphäre der Voreingenommenheit. Hatte man Ferguson das Geständnis herausgeprügelt? Seine Artikel gaben nur wieder, was der Häftling vorgetragen und die Polizisten geleugnet hatten. Tanny Brown hatte zum Beispiel nicht erklären können, wieso sie Ferguson vor dem »Geständnis« so lange in Haft gehalten hatten. Dies musste herausgestellt werden. Die Geschworenen hatten sich bei der Verurteilung von ihren übermächtigen Gefühlen leiten lassen. Ein brutal ermordetes weißes Mädchen und ein wütender schwarzer Angeklagter mit einem inkompetenten alten Anwalt als Rechtsbeistand. Die perfekten Voraussetzungen für Vorverurteilungen. Dann das – mit rechtswidrigen Mitteln – zustande gekommene Geständnis, das ihn in den Todestrakt brachte. Dies alles stand außer Zweifel, die Ungerechtigkeit, der sich Ferguson in den Tagen nach dem Auffinden von Joanie Shrivers Leiche ausgesetzt sah, wurde hier aufgedeckt.
Nur ein klitzekleines Detail ließ sein Artikel unerwähnt. Dass Ferguson das Mädchen ermordet hatte.
Zumindest, wenn er den Worten eines Serienmörders Glauben schenkte.
Ihm schwirrte der Kopf.
Cowart überflog seine Reportage weiter. Blair Sullivan war zur Zeit des Mordes in Escambia County gewesen. Dies war hinreichend belegt. Ebenso unstrittig war es, dass Sullivan einen Mord nach dem anderen beging – hätte die Polizei über den eigenen Tellerrand hinausgeschaut, hätte er als Verdächtiger ins Auge springen müssen.
Die einzige eindeutige Lüge, die Cowart entdecken konnte – falls es sich tatsächlich um eine Lüge handelte –, stellte Fergusons Behauptung dar,
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