Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
eine Freundin.«
Der Reporter nickte. »Und?«
Brown sprach ruhig. »Ihr Vater. Dessen Vater gehörten ein paar Haushaltswarengeschäfte. Als ich an der Highschool war, hat er mir einen Job gegeben, ich hab bei ihm in den Läden geputzt. Zu einer Zeit, als für die meisten die Hautfarbe ganz oben auf der Liste stand, hat er keinen Unterschied gemacht. Wissen Sie noch, wie das in den sechziger Jahren in Florida war? Wir hatten die Protestmärsche und Sit-ins und brennende Kreuze. Und in dieser aufgeheizten Stimmung hat er mir einen Job gegeben. Hat mir geholfen, als ich aufs College ging. Und als ich aus Vietnam zurückkam, hat er mir vorgeschlagen, zur Polizei zu gehen. Hat Strippen gezogen, mit Leuten geredet, die ihm einen Gefallen schuldeten. Meinen Sie, diese kleinen Dinge zählten nicht viel? Und sein Sohn war mein Freund. Er hat mit mir zusammen im Laden gearbeitet. Wir haben uns über unsere Probleme ausgetauscht, miteinander Witze gerissen, von der Zukunft geträumt. So was hatte damals Seltenheitswert, auch wenn Sie davon vielleicht nicht viel mitbekommen haben. Wir waren einander ebenbürtig, das hatte einen hohen Stellenwert. Und dann haben unsere Kinder zusammen gespielt. Und wenn Sie auch nur die leiseste Ahnung davon hätten, was mir das bedeutet hat, dann würden Sie verstehen, wieso ich nachts nicht gut schlafe. Diese Familie hat bei mir eine Menge gut. Daran hat sich nichts geändert.«
»Fahren Sie fort.«
»Wissen Sie, wie sehr man sich dafür hassen kann, dass man etwas geschehen ließ, das man so wenig hätte verhindern können wie den nächsten Sonnenaufgang oder die nächste Flut?«
Cowart sah ihn durchdringend an. »Kann schon sein.«
»Wissen Sie, wie das ist, zu wissen, mit absoluter Sicherheit zu wissen, dass etwas Schlimmes passieren wird, und dagegen absolut machtlos zu sein? Wie es sich anfühlt, wenn es dann tatsächlich passiert und einem ein Mensch, den man liebt, entrissen wird? Einem wirklichen Freund das Herz bricht? Und ich konnte nichts tun. Ich konnte nicht das Geringste tun!«
Brown hatte mit solcher Leidenschaft gesprochen, dass er unwillkürlich aufgesprungen war. Er ballte die Faust, als hätte er damit die ganze Wut gepackt, die er empfand. »Verstehen Sie jetzt, Mr. Cowart? Sehen Sie ein bisschen klarer?«
»Ich glaube schon.«
»Da sitzt dieser Bastard also vor mir auf dem Stuhl und feixt mir ins Gesicht. Trieb seinen Spott mit mir. Er wusste das alles, verstehen Sie? Er dachte, keiner könnte ihm was anhaben. Bruce warf mir einen Blick zu, und ich nickte. Ich verließ das Zimmer, und er hat’s dem Bastard gegeben. Sie meinen, wir hätten dieses Geständnis aus Robert Earl Ferguson herausgeprügelt? Da liegen Sie hundert Prozent richtig. Genau das haben wir gemacht.«
Brown schlug mit Wucht die geballte Faust in die andere Hand, so dass es wie ein Schuss klang. »Patsch! Und wir haben das Telefonbuch benutzt, genau wie der Bastard gesagt hat.«
Der Detective durchbohrte Cowart mit seinem Blick. »Wir haben ihn gewürgt, ihn geschlagen, was weiß ich. Doch der Kerl hielt durch. Hat uns nur ins Gesicht gespuckt und immer noch gelacht. Er ist zäh, wussten Sie das? Und er ist viel stärker, als er aussieht.« Brown holte tief Luft. »Ich wünschte, wir hätten ihn umgebracht, auf der Stelle.«
Der Polizist stieß Cowart die geballte Faust entgegen. »Wenn physische Gewalt nichts bewirkt, fragt man sich, was noch bleibt. Ein bisschen psychologische Kriegsführung kann Wunder wirken. Sehen Sie, er hatte keine Angst vor uns. Egal, wie fest wir zugeschlagen haben. Aber wissen Sie, wovor er Angst hatte?«
Brown zog sein Hosenbein hoch. »Da steckt die verdammte Pistole. Genau, wie er gesagt hat. Im Knöchelholster.«
»Und die hat ihn am Ende dazu gebracht, ein Geständnis abzulegen?«
»Oh, nein«, sagte Brown in sarkastischem Ton, »Angst hat ihn dazu gebracht.«
Der Detective fasste nach unten und löste mit einer einzigen, flinken Bewegung die Waffe aus dem Futteral. Sie sprang ihm in die Hand, und im Bruchteil einer Sekunde hatte Cowart die Mündung an der Stirn. Er hörte das leise, bedrohliche Klicken des Hahns.
»Ungefähr so«, sagte Brown.
Hitze überflutete Cowarts Gesicht.
»Angst, Mr. Cowart. Angst und die Ungewissheit, zu welchen Wahnsinnstaten die Wut einen Mann treiben kann.«
Die kleine Waffe wirkte in den Händen des Detectives, der sich in voller Größe über ihn beugte, verschwindend klein. Ein paar Sekunden lang drückte er Cowart den
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