Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
sollen.« Er wandte den Blick nicht von den Funden ab. »Verdammt«, sagte er schließlich. »Verdammte Scheiße.« Er sah zu Cowart auf. »Aber jetzt wissen wir es, nicht wahr?«
Cowart nickte.
Die drei Männer hoben mit spitzen Fingern die Kleidungsreste sowie das Fußmattenstück auf und wandten sich zum Haus um. Die Frau stand immer noch allein auf der Hintertreppe und sah ihnen hilflos zu. Cowart entging nicht, dass ihre Hände zitterten.
»Das hat nichts zu bedeuten!«, brüllte sie in einer verzweifelten Aufwallung von Trotz. Langsam hob sie einen Arm und schüttelte die Faust. »Ich werfe alles Mögliche weg! Das hat nix zu sagen!«
Die beiden Detectives und der Reporter gingen schweigend an ihr vorbei, und ihr Geschrei verhallte im blassblauen Himmel. »Das besagt rein gar nix! Seid ihr alle taub? Geh zum Teufel, Tanny Brown, scher dich zum Teufel!«
20
Fallen
T anny Brown fuhr mit dem Streifenwagen ziellos durch die Stadt, in der er aufgewachsen war. Cowart saß neben ihm und wartete darauf, dass der Polizist etwas sagte. Wilcox hatten sie mit den im Klohäuschen gesicherten Gegenständen am Kriminallabor abgesetzt. Der Reporter hatte angenommen, sie würden von da aus direkt zum Revier weiterfahren, um den nächsten Schritt zu planen, doch stattdessen kurvten sie durch Pachoula.
»Und?«, fragte er schließlich. »Wie geht’s jetzt weiter?«
»Wissen Sie«, antwortete Brown bedächtig, »Pachoula, das ist eher eine bescheidene Stadt. Hat im Vergleich zu Pensacola und Mobile immer die zweite Geige gespielt. Trotzdem, ich hab nie was anderes gekannt. Mir im Grunde nie was anderes gewünscht. Selbst als ich zur Army ging und dann aufs College in Tallahassee, hab ich immer gewusst, dass ich hierher zurückkommen will. Wie ist das bei Ihnen, Cowart? Wo fühlen Sie sich zu Hause?«
Cowart rief sich das kleine Backsteinhaus vor Augen, in dem er aufgewachsen war. Es hatte ein wenig von der Straße zurückgestanden, mit einer großen Eiche im Vorgarten. Eine knarrende, quietschende Hängebank auf der vorderen Veranda, die nie benutzt wurde und im Winter rostete. Doch die Bilder vom Haus verblassten, und was blieb, war die Zeitung seines Vaters, gesehen durch die Augen eines Kindes – vor zwanzig Jahren, vor dem Computerzeitalter. Es kam ihm so vor, als wäre sein Blick auf die Welt geprägt von den stahlgrauen Schreibtischen, dem fahlen Neonlicht, der Geräuschkulisse unablässig klingelnder Telefone, den Zurufen der Reporter in der Nachrichtenagentur, dem leisen Zischen der Rohrpostanlagen, die das Großraumbüro mit der Setzerei und dem Klappern der mechanischen Schreibmaschinen verbanden – ein geöltes Räderwerk, in dem die Ereignisse des Tages verarbeitet wurden. Er war mit dem glühenden Wunsch groß geworden, wegzukommen, doch »weg« hatte mehr oder weniger das Gleiche bedeutet, nur woanders – größer und besser. Und dann kam Miami. Eine der landesweit renommiertesten Zeitungen. Ein von Wörtern bestimmtes Leben.
Vielleicht, musste er plötzlich denken, bestimmten sie auch seinen Tod.
»Kein Zuhause«, erwiderte er. »Nur eine Karriere.«
»Ist das nicht dasselbe?«
»Wahrscheinlich. Zumindest schwer auseinanderzuhalten.«
Der Detective nickte.
»Und? Was machen wir jetzt?«, fragte Cowart noch einmal.
Auf Anhieb konnte der Detective die Frage nicht beantworten. »Tja«, fing er an, »wir wissen, wer Joanie Shriver wirklich getötet hat.«
So sachlich die Bemerkung war, so niederschmetternd wirkte sie sich auf beide Männer aus. Ich hab’s gewusst. Ich hab’s die ganze Zeit gewusst, dachte Brown, und trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, dass sich etwas geändert hatte.
»Sie können ihm nichts anhaben, stimmt’s?«
»Zumindest nicht gerichtlich. Unzulässiges Geständnis. Widerrechtliche Durchsuchung, haben wir ja alles hinlänglich analysiert.«
»Und ich auch nicht«, sagte Cowart mit bitterem Unterton.
»Wieso nicht? Was würde passieren, wenn Sie darüber berichteten?«
»Ich denke, das erspare ich Ihnen lieber.«
Brown bremste am Straßenrand. Mit einer einzigen Bewegung schaltete er in den Leerlauf und fuhr zu dem Reporter herum.
»Was passiert?«, fragte er wütend. »Lassen Sie hören, verdammt! Was passiert?«
Cowart lief rot an. »Na schön, ich will Ihnen sagen, was passiert: Wenn ich diese Story schreibe, fallen alle über uns her. Glauben Sie wirklich, die Presse hätte Sie beim ersten Mal unfair und bösartig behandelt? Haben Sie auch nur den leisesten
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