Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
huschte ein Grinsen übers Gesicht. »Irgendwie komme ich mir wie ein Löwenbändiger vor, der durch die Savanne schlendert und zufällig auf einen seiner früheren Schützlinge trifft, den er vielleicht ein, zwei Mal zu oft mit der Peitsche in Schach gehalten hat. Und als er das alte Tier vor sich sieht, wird ihm klar, dass sie sich nicht mehr in der Zirkusmanege befinden, sondern auf dem Territorium des Löwen. Sagt Ihnen das was?«
Brown erwiderte das Schmunzeln. »Er wird nur ein bisschen fauchen.«
»Hunde die bellen, beißen nicht, ja?«
»Es war von Katzen die Rede, nicht von Hunden.«
Cowart öffnete die Wagentür. »Zu viele Bildbrüche«, sagte er. »Bis dann.«
Draußen schlug ihm die feuchtkalte Luft ins Gesicht. Er lief zügig den Bürgersteig entlang und stolperte beinahe über zwei Männer, die im Eingang eines leerstehenden Hauses schliefen – ein Knäuel graubrauner, zerschlissener Kleider, die zusammengewachsen schienen, um die nächtliche Kälte abzuwehren. Die Obdachlosen regten sich einen Moment, dann dämmerten sie wieder weg. Ein, zwei Straßen weiter hörte Cowart das tiefe Brummen der Dieselmotoren der Busse, der Auftakt zum frühmorgendlichen Verkehr.
Vor dem Wohnblock hielt er an. Einen Moment lang zögerte er auf den Eingangsstufen, dann trat er in den dunklen Flur und stieg entschlossen die Treppe hoch, bis er vor Fergusons Wohnung stehen blieb. Er wird noch schlafen, sagte sich der Reporter, und er wird misstrauisch und irritiert sein. Genau das bezweckten sie mit dem Besuch um diese ungewöhnliche Zeit. Die frühen Morgenstunden stifteten die größte Verwirrung, im gleitenden Wechsel zwischen Nacht und Tag boten die Menschen die größte Angriffsfläche.
Er holte einmal tief Luft und klopfte fest an die Tür. Dann wartete er. Als von drinnen nichts zu hören war, donnerte er noch einmal dagegen. Wieder verstrichen ein paar Sekunden, dann hörte er eilige Schritte in seine Richtung kommen. Er hämmerte ein drittes und ein viertes Mal.
Riegel wurden geöffnet, eine Kette gelöst. Die Tür ging auf.
Ferguson starrte ihm entgegen. »Mr. Cowart.«
Killer, dachte Cowart, sagte jedoch nur: »Hallo, Bobby Earl.«
Ferguson strich sich übers Gesicht, dann verzog er den Mund zu einem Lächeln. »Hätte mir denken können, dass Sie hier auftauchen würden.«
»Wie Sie sehen, bin ich da.«
»Was wollen Sie?«
»Dasselbe wie immer. Antworten auf ein paar Fragen.«
Ferguson hielt ihm die Tür weit auf, und Cowart trat ein. Sie begaben sich in das kleine Wohnzimmer, wo sich Cowart rasch umsah und versuchte, sich alles einzuprägen.
»Wollen Sie einen Kaffee, Mr. Cowart? Ich hab welchen in der Küche«, sagte Ferguson und deutete höflich auf das Sofa. »Ich habe auch Teekuchen da. Wollen Sie ein Stück?«
»Nein.«
»Nichts dagegen, wenn ich mir eins nehme?«
»Nur zu.«
Ferguson verschwand in der kleinen Küche und kam mit einer dampfenden Tasse Kaffee sowie einer Backform mit Kuchen zurück. Cowart hatte bereits sein Aufnahmegerät auf einem kleinen Tisch plaziert. Ferguson stellte den Kuchen daneben und schnitt eine Scheibe vom Ende ab. Cowart entging nicht, dass er dazu ein Jagdmesser mit Stahlschneide verwendete. Es hatte eine fünfzehn Zentimeter lange Klinge mit Wellenschliff und einem Führungsgriff. Ferguson legte das Messer ab und stopfte sich den Kuchen in den Mund.
»Nicht die übliche Küchenausstattung«, kommentierte Cowart.
Ferguson zuckte die Achseln. »Das hab ich vorsichtshalber griffbereit. Es gab hier ein paar Einbrüche, Sie wissen schon, Drogenabhängige auf der Suche nach ein bisschen Knete. Ist nicht gerade die feinste Wohngegend, wie Ihnen nicht entgangen sein dürfte.«
»Es ist mir nicht entgangen.«
»Da muss man sich schützen.«
»Dieses Messer schon mal zu anderen Zwecken benutzt?«
Ferguson lächelte. Cowart fühlte sich wie ein jüngeres Kind, das vom älteren Bruder gnadenlos auf die Schippe genommen wird, weil er genau weiß, dass die Eltern auf seiner Seite stehen. »Tja, wofür könnte ich das noch benutzen außer zum Brot- oder Kuchenschneiden?«, erwiderte der junge Mann.
Ferguson nahm einen Schluck Kaffee. »So, so. Überraschungsbesuch am frühen Morgen. Weil Sie noch Fragen haben. Sind Sie allein?«
Er stand auf, trat ans Fenster und suchte links und rechts die Straße ab.
»Ich bin allein.«
Ferguson zögerte, starrte ein, zwei Sekunden in die Richtung, wo Brown mit seinem Wagen stand, und drehte sich wieder zu dem Reporter
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