Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
hinwegsetzen und ausharren würde, als wäre nichts geschehen. Die Uhr tickt, stellte er lakonisch fest. Ihm dämmerte, dass ihm in diesem Moment die Story, die er schreiben wollte, zwischen den Fingern zerrann. Keine Zeit. Er läuft irgendwo da draußen rum und macht, was er will. Cowart schwirrte der Kopf von den beängstigenden Möglichkeiten. Er hatte keine Ahnung, was Ferguson plante – ob sein Kind in Gefahr war oder nicht. Oder ein anderes Kind. Niemand war vor dem Mann sicher. Als er zu Tanny Brown hinüberschaute, sah er, dass der Detective genau dasselbe dachte.
Es war nicht mehr lange bis zum Morgengrauen, doch der Schatten, der auf den beiden Männern lastete, würde sich nicht so bald lichten.
25
Vertane Zeit
E rschöpfung und Bürokratie kosteten sie wertvolle Stunden. Tanny Brown fühlte sich zwischen Sorge und Dienstvorschriften hin- und hergerissen. Nachdem sie in Fergusons verlassener Wohnung gewesen waren, hatte er sich gezwungen gesehen, Wilcox bei der örtlichen Polizei als vermisst zu melden, während er sich gleichzeitig bewusst war, dass sich ihre Zielperson mit jeder Sekunde, die verstrich, weiter von ihnen entfernte. Er und Shaeffer hatten den Rest der Nacht mit zwei hohen Tieren im Präsidium von Newark zugebracht, denen es bis zuletzt ein Rätsel blieb, wieso sie sich aus unterschiedlichen Gegenden des Bundesstaates Florida hierherbemüht hatten, um einen Mann zu befragen, der gegenwärtig keines Verbrechens verdächtigt wurde. Mit ausdrucksloser Miene hatten die beiden sich von Shaeffer schildern lassen, wie sie und Wilcox zusammen Ferguson observiert hatten und Wilcox plötzlich ausgestiegen und dem Mann gefolgt war. Im Prinzip schienen sie der Überzeugung zu sein, dass Wilcox, egal, was ihm zugestoßen sein mochte, nur bekommen hatte, was er verdiente. Es überstieg offensichtlich ihre Vorstellungskraft, dass ein Kollege, außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs und fern der Heimat, sich dazu hinreißen ließ, einen Mann durch ein Gebiet zu jagen, das in den Augen der beiden Ordnungshüter eindeutig nicht den USA zuzurechnen war, sondern einem fremden Land mit eigenen Regeln, Gesetzen und Verhaltensnormen. Tanny Brown tobte innerlich wegen ihrer Haltung, die in seinen Augen rassistisch war, wenn auch unter logistischen Gesichtspunkten korrekt. Shaeffer konnte ihre Gleichgültigkeit nicht fassen. Mehr als einmal schwor sie sich im Laufe des Gesprächs, niemals derart abzustumpfen, egal, womit sie in ihrem Beruf konfrontiert werden würde.
Noch mehr Zeit verstrich, als Shaeffer die Kollegen zu der Stelle brachte, an der sie Wilcox das letzte Mal gesehen hatte, und mit ihnen die Route abfuhr, auf der sie nach ihm Ausschau gehalten hatte. Zuletzt waren sie noch einmal zu Fergusons Wohnung zurückgekehrt, die nach wie vor verwaist war. Trotzdem glaubten die beiden Beamten aus Newark nicht, dass er die Stadt verlassen hatte. Kurz bevor es hell wurde, erklärten sie Brown, sie würden eine Vermisstenmeldung herausgeben und ein Team abstellen, das systematisch die Straßen nach ihm absuchte. Gleichzeitig bestanden sie darauf, dass Brown in seinem eigenen Revier anrief, als ob es naheläge, dass Wilcox in Escambia County wieder auftauchte.
Cowart wartete für den Rest der Nacht in seinem Motelzimmer auf die beiden Detectives. Er konnte nicht beurteilen, wie groß die Gefahr für ihn oder seine Tochter war, begriff jedoch, dass mit jeder Sekunde, die verging, seine Lage schlimmer wurde und die einzige Waffe, die er besaß – die Zeitungsreportage – in immer weitere Ferne rückte. Solange er nicht wusste, wo sich Ferguson aufhielt, konnte er mit seinem Artikel nichts bewirken. Ferguson musste von der Wahrheit überrumpelt, mit Fragen bombardiert werden und sich vor aller Welt in seinem Lügengespinst heillos verstricken. Nur so konnte Cowart Zeit gewinnen, um sich und seine Tochter zu schützen. Cowart war klar, dass er Ferguson erst einmal finden musste, bevor ein einziges Wort in der Zeitung erscheinen konnte.
Er starrte auf seine Armbanduhr und sah hilflos zu, wie der Sekundenzeiger – ähnlich dem auf der Wanduhr im Todestrakt – unaufhaltsam durch jede Minute jagte.
Jetzt bekommen Sie eine leise Ahnung davon, was es heißt, im Todestrakt zu leben.
Ihm wurde klar, dass er es nicht länger aufschieben konnte. Egal, wie beängstigend ein Anruf mitten in der Nacht war, er griff zum Hörer und wählte die Nummer seiner Ex-Frau.
Es klingelte zweimal, bevor sich die mürrische
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