Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
Wilcox in zügigem Schritt aus dem Morddezernat von Escambia County.
»Wie sind Sie daran gekommen?«, fragte Cowart.
»Ich hab mich an dem Tag auf die Lauer gelegt, bis sie zur Tür rausmarschierten. Sie schienen nicht eben begeistert.«
Cowart nickte und war froh, dass er nicht dabei gewesen war. »Und Sully?«
»Der wollte nicht«, sagte der Fotograf. »Aber ich hab eine gute Aufnahme von seinem Prozess aufgestöbert. Hier.« Er reichte Cowart das Foto.
Auf dem Bild war Blair Sullivan zu sehen, wie er, an Händen und Füßen gefesselt, zwischen zwei Hünen von Polizisten einen Flur im Gericht entlangging. Er blickte mit einem höhnischen, ein wenig bedrohlichen Grinsen in die Kamera.
»Eins ist mir schleierhaft«, sagte der Fotograf.
»Was denn?«
»Na ja, wenn ich dem Mann irgendwo begegnen würde, wäre ich mit Sicherheit so schnell wie möglich auf der anderen Straßenseite. Und ganz bestimmt würde ich nicht zu ihm in den Wagen steigen. Ferguson dagegen, na ja, selbst wenn er einen wütend anstarrt, sieht er deswegen noch lange nicht abgrundtief böse aus oder so. Ich meine, ich kann mir durchaus vorstellen, dass er mich in sein Auto bekommen würde.«
»Mit Sicherheit können Sie das nicht sagen«, antwortete Cowart. Er nahm das Foto von Sullivan in die Hand. »Der Mann ist ein psychopathischer Serienmörder. Der könnte Sie wahrscheinlich zu allem überreden. Schließlich hat er es nicht nur bei dem kleinen Mädchen geschafft. Denken Sie an all die anderen, die er umgebracht hat. Nehmen Sie dieses alte Ehepaar, denen er beim Reifenwechsel geholfen hat. Wahrscheinlich haben sie sich bei ihm bedankt, bevor er sie getötet hat. Oder die Kellnerin. Die ist mit ihm mitgekommen, schon vergessen? Wollte sich einfach nur ein bisschen amüsieren, dachte, es ginge auf eine Party. Die hat auch nicht den Killer in ihm gesehen. Und der junge Verkäufer in dem Laden? Der hatte einen von diesen Alarmknöpfen direkt unter der Kasse, aber er hat ihn nicht gedrückt.«
»Ist wahrscheinlich nicht mehr dazu gekommen.«
Cowart zuckte die Achseln.
»Jedenfalls«, beharrte der Fotograf, »wäre ich nie und nimmer bei ihm eingestiegen.«
»Da gebe ich Ihnen absolut recht. Sonst wären Sie längst tot.«
Er nahm seinen alten Schreibtisch in einer hinteren Ecke der Nachrichtenredaktion in Beschlag, breitete seine sämtlichen Notizen aus und starrte auf den Computerbildschirm. Nur für einen kurzen Moment überfiel ihn beim Anblick des leeren Dokuments eine gewisse Nervosität. Es war schon eine Weile her, dass er einen Artikel geschrieben hatte, und er fragte sich, ob er sein Handwerk noch beherrschte. Doch dann wischte er die Zweifel beiseite und folgte der Faszination der Geschichte. Wenig später beschrieb er die beiden Männer in ihren Zellen, vermittelte dem Leser ihr Erscheinungsbild, ihr Verhalten, die Art und Weise, wie sie mit ihm gesprochen hatten. Als Nächstes skizzierte er seine Erlebnisse in Pachoula, beschrieb den hünenhaften Detective mit der einschüchternd starken Ausstrahlung und den anderen mit seinem Hang zum Jähzorn. Die Worte flogen ihm stetig und mühelos zu. Er konnte an nichts anderes denken.
Für den ersten Artikel brauchte er drei Tage, für den Folgeartikel zwei. Einen Tag verwandte er auf den Feinschliff, einen weiteren auf das Verfassen von kurzen Informationstexten, die den Artikeln beigefügt werden sollten. Zwei Tage kostete es, den gesamten Text Zeile für Zeile mit dem Lokalredakteur durchzugehen. Einen weiteren vollen Tag brauchten die Anwälte, um jedes Wort kritisch abzuklopfen, eine frustrierende Angelegenheit. Cowart hockte immer noch an seinem Tisch, als das Layout für seinen Beitrag auf der Titelseite der Sonntagsausgabe vorbereitet wurde. Die Schlagzeile lautete: ZUERST DIE STRAFE, DANN DAS URTEIL … Das gefiel ihm. Als Untertitel folgte: ZWEI MÄNNER, EIN VERBRECHEN UND EIN MORD, DEN NIEMAND VERGESSEN KANN. Auch das fand er nicht schlecht.
Nachts lag er schlaflos im Bett und dachte: So. Ich hab’s getan.
Am Samstag vor Erscheinen des Artikels rief er Tanny Brown an. Der Detective war zu Hause und das Morddezernat weigerte sich, Cowart die nicht eingetragene Privatnummer zu geben. Er ließ Brown die Bitte um einen Rückruf ausrichten; eine Stunde später meldete dieser sich.
»Cowart? Tanny Brown am Apparat. Ich dachte, zwischen uns wäre erst mal alles gesagt.«
»Ich wollte Ihnen nur Gelegenheit geben, zu dem Artikel vor Erscheinen Stellung zu nehmen.«
»So wie
Weitere Kostenlose Bücher