Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
so einfach ist das.«
In dem Moment schien Tanny Brown drauf und dran, zu explodieren. »Ich dachte, eins hätten Sie mittlerweile kapiert«, sagte der Detective kaum lauter als im Flüsterton.
»Was?«
»Dass der Mordfall Joanie Shriver in dieser Stadt niemals abgeschlossen sein wird, bis der Mann dafür bezahlt hat.«
»Genau das ist die Frage, nicht wahr? Wer bezahlt dafür?«
»Wir bezahlen alle. Jeder von uns. Die ganze Zeit.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch, so dass es in dem kleinen Raum widerhallte. »Wenn Sie mir was zu sagen haben, dann sagen Sie es jetzt!«
Matthew Cowart überlegte fieberhaft, was er mit Sicherheit wusste und was nicht, bevor er schließlich antwortete: »Ich weiß von Blair Sullivan, wo das Messer zu finden war.«
Der Name zeigte die zu erwartende Wirkung auf den Polizisten. Er war offensichtlich verblüfft, dann fassungslos.
»Sullivan? Was hat der denn damit zu tun?«
»Sollten Sie eigentlich wissen. Er ist im Mai 1987 hier in Pachoula vorbeigekommen, als er unterwegs jede Menge Leute umgelegt hat.«
»Das weiß ich …«
»Und er wusste, wo das Messer ist.«
Brown starrte ihn an. Das Schweigen im Raum war mit Händen zu greifen. »Hat Sullivan gesagt, er hätte Joanie Shriver getötet?«
»Nein.«
»Hat er gesagt, Ferguson hätte sie nicht getötet?«
»Nicht direkt, aber …«
»Hat er irgendetwas gesagt, das explizit dem ursprünglichen Prozess widerspricht?«
»Er wusste von dem Messer.«
»Er wusste von einem Messer, und ohne forensische Beweise ist es erst einmal nur ein Stück rostiges Metall. Ich bitte Sie, Cowart, Ihnen dürfte doch nicht entgangen sein, dass Sullivan vollkommen irre ist. Hat er Ihnen irgendetwas an die Hand gegeben, das auch nur im entferntesten Beweischarakter hat?«
Brown hatte die Augen zusammengekniffen, und Cowart sah ihm an, wie es in seinem Kopf arbeitete, wie er Schlüsse zog und wieder verwarf. Er bringt es nicht über sich, dachte Cowart in diesem Moment, er wird die Möglichkeit eines Irrtums weit von sich weisen. Er hat seinen Mörder und will nicht daran rühren.
»Nein, sonst nichts.«
»Dann reicht es nicht, um ein Ermittlungsverfahren wiederaufzunehmen, das bereits zu einer Verurteilung geführt hat.«
»Ach nein? Wie Sie wollen. Dann merken Sie sich schon mal vor, die Zeitung zu kaufen; wir werden ja sehen, ob es reicht.«
Der Polizist funkelte Cowart böse an und deutete zur Tür. »Raus, Mr. Cowart, sofort. Steigen Sie in Ihren Leihwagen und fahren Sie in Ihr Motel. Packen Sie Ihre Sachen. Nehmen Sie den nächsten Flieger nach Miami. Und lassen Sie sich nie wieder hier blicken. Verstanden?«
Auch Cowart, der seine Wut und Frustration die ganze Zeit heruntergeschluckt hatte, war drauf und dran, die Beherrschung zu verlieren. »Drohen Sie mir?«
Der Detective schüttelte den Kopf. »Nein, das war ein wohlgemeinter Rat.«
»Und?«
»Nehmen Sie ihn an.«
Matthew Cowart erhob sich von seinem Stuhl und starrte den Polizisten an, der seinen Blick ebenso eisig erwiderte – ein visuelles Kräftemessen. Als der Detective ihm schließlich den Rücken kehrte, fuhr Cowart herum, knallte unüberhörbar die Tür hinter sich zu und lief so zielstrebig durch den neonbeleuchteten Flur zum Ausgang des Polizeireviers, als treibe er eine Woge vor sich her, und mehrere Beamte, denen er begegnete, traten unwillkürlich zur Seite. Er registrierte, wie Gespräche abrupt verstummten und sich Augenpaare in seinen Rücken bohrten. Er schnappte das eine oder andere gemurmelte Wort auf und hörte mehrmals in abfälligem Ton seinen Namen, sah sich jedoch nicht um und änderte auch nicht das Tempo. Im Fahrstuhl nach unten war er allein, und erst, als er durch die Glastür ins Freie getreten war, wandte er sich ein letztes Mal zurück. Für einen Moment sah er Tanny Brown am Fenster. Noch einmal trafen sich ihre Blicke. Matthew Cowart schüttelte kaum merklich den Kopf.
Er sah, wie der Detective mit seinem Bürostuhl zurückrollte und aus seinem Gesichtsfeld verschwand.
Einige Sekunden lang verharrte Cowart reglos in der Dunkelheit. Dann setzte er sich in Bewegung, zunächst langsam, dann immer schneller, bis er im Eiltempo durch die Stadt marschierte, während im Stakkato seiner Schritte der Artikel in seinen Gedanken immer deutlicher Gestalt annahm.
7
Worte
A ls Cowart seinen Wohnblock erreichte, sorgte jedoch eine tiefe Erschöpfung dafür, dass die Lebenden in seinen Notizen verblassten und die Toten von seiner Vorstellungskraft
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