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Der Symmetrielehrer

Der Symmetrielehrer

Titel: Der Symmetrielehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Bitow
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Robert Davin, dieser herausragende junge Mann seiner Epoche, dem wir noch viel zu verdanken haben werden in der unsrigen, derart ungestüm (für seine Zeit) nachdachte, entdeckte er, mit der ganzen Plötzlichkeit dieses Verbs, dass er vor einem ihm unbekannten Menschen stand und diesen unverwandt, fast schon unhöflich anstarrte. Tja, und dieser Mensch war Gummi.
     
    Bevor wir Doktor Robert Davin, Esq., endgültig dem Plot unserer Erzählung einfügen, möchten wir einige Worte über ihn verlieren. Den Erzähler hemmt und behindert in diesem Fall besonders der Umstand, dass ihm die glänzende Zukunft bereits bekannt ist, die in unserer gar nicht so fernen Zukunft die jetzt so unbeachteten und frischen Unternehmungen Davins haben werden. Vorerst wäre festzuhalten, dass der junge Wissenschaftler, obwohl der Zukunft zugewandt und um Anerkennung und Unsterblichkeit bemüht, am allerwenigsten an Ruhm denkt und, ohne es selbst zu merken, in seinem Denken Dimensionen umspannt, die tatsächlich riesig sind und von der Zeit noch nicht erschlossen. Er ist noch nicht stehengeblieben. Er weiß noch nicht einmal, dass er bereits weiß, was seinem Namen in Zukunft Klang verleiht, sogar Anrüchigkeit. Und insofern er das nicht weiß, erlaubt uns das, ihm mit maximaler Objektivität und Sympathie gegenüberzutreten.
    Doktor Davin entstammte einer altehrwürdigen englischen Familie, von der sich ein Zweiglein über den Ozean gebogen hatte, sich abspaltete und trotz der Skepsis des übrigen Baumes sich einlebte (als vollkommen unsinnig übergehen wir dabei die Argumente späterer Biographen bezüglich der Zweifelhaftigkeit seiner Abstammung, des Viertels Negerblut, der Grausamkeit seines vorgeblichen Vaters und verschiedener Dachbodendramen seiner Schwestern, quasi einer Folge dieser
Grausamkeit – zuverlässig bezeugt ist nur, dass sein Vater einer der herausragendsten Fachleute für Pferdezucht war, und damals gab es noch Pferde!). Der künftige Doktor erhielt im großen und ganzen keine schlechte Ausbildung, die er jenseits des Ozeans auch vollendete, in Heidelberg und Wien. Vor ihm tat sich die allerglänzendste Zukunft auf. Maître Charcot wollte ihn zu sich holen. Doch der junge Psychiater widerstand den Versuchungen von Erfolg und Mode und kehrte in die Heimat zurück. Diese Rückkehr war bis zu einem gewissen Grad durch den geheimnisvollen Tod des Vaters veranlasst und verdüstert. Als Alleinerbe legte der junge Doktor ein für einen Ritter der Gelehrsamkeit überraschendes praktisches Geschick an den Tag und verkaufte das Gestüt des Vaters mit einigem Gewinn. Diese Mittel erlaubten es ihm, eine kleine Klinik zu gründen am Rande der Stadt Taunus, wohin er auch umzog. Vom Fenster seines Arbeitszimmers hatte er einen wunderbaren Blick aufs freie Feld. Nur eine ungewöhnlich geringe Patientenzahl konnte ihm unser traditionsverhaftetes Städtchen liefern – ach, selbst der gesamte Kreis (ach, was sage ich – selbst der gesamte Staat und vielleicht ganz Amerika, wo zu jener schlichten und schädelharten Zeit kaum jemand den Verstand verlor), doch das erlaubte es Doktor Davin womöglich, den Anflug jener Dekadenz zu vermeiden, der die Psychiatrie fast augenblicklich verfiel, kaum dass sie in ihre Entwicklungsphase getreten war, denn sie sah ihre jüngste Vergangenheit viel zu schnell für ihre Hochblüte und klassische Zeit an. Doktor Davin legte seinem System schlichte und betrübliche Wahrheiten zugrunde, so ursprünglich wie Gottes weite Welt, und wir freuen uns, dass wir ihm dieses gesunde Fundament zum Verdienst anrechnen können. Im großen und ganzen war sein Denken verhältnismäßig wenig bürgerlich und hat sich niemals in schlaffen http://en.wikipedia.org/wiki/Academic_art Jugendstil-Ranken entwickelt.
    Kurzum, nach seiner Ankunft im Städtchen Taunus konnte Robert Davin gar nicht anders, als dort eine höchst bedeutende Position einzunehmen. Er überragte, wie man so sagt, alle um Haupteslänge. Und in der Tat, hochgewachsen und elegant wie ein Europäer, leicht angestrahlt vom fernen Abglanz sei
nes künftigen Ruhms, musste er unter den untersetzten und Reichtum ansetzenden Taunussern, die an ihrer Gesundheit noch schwerer trugen als am Reichtum, die Blicke auf sich lenken. Seine in jeder Bewegung und jedem Blick verborgene Kraft allerdings, das einzige, wofür die Taunusser ein entwickeltes Gespür haben konnten, bewog sie, den jungen Doktor ausnahmsweise nicht zu hassen, vielmehr zusammenzurücken und ihm

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