Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Symmetrielehrer

Der Symmetrielehrer

Titel: Der Symmetrielehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Bitow
Vom Netzwerk:
ich viele geklaut von diesen Aushängeschildern. So etwas wie eine Kollektion. Ich habe sogar das Schild eines Polizeireviers.
    Als ich der Weißblonden (der mit den grauen Augen) den Hof zu machen versuchte, war ich sehr eifersüchtig auf einen Rugby-Champion, argwöhnte Untreue, konnte aber nichts nachweisen. Indirekt und zusammenhanglos, wie sie waren, erschienen die Indizien unwiderlegbar und zerbröselten doch beim erstbesten Versuch, irgend etwas nachzuweisen.
    In schlaflosen Eifersuchtsnächten breitete ich meine Kollektion wie eine Patience am Boden aus. Plötzlich setzte sich
daraus ein Stadtplan zusammen. Hinzufügen ließ sich die Karte des Sternenhimmels. Als nächste Schicht wurden nun Spielkarten ausgelegt, aber mir fielen ihre Bedeutungen beim Kartenlegen nicht ein. So musste ich zum Tarot greifen, da steht wenigstens drunter, was was bedeutet: Dummkopf, Galgenstrick, Kaiserin …
    Was noch?
    Ich legte alle Elemente nach ihren Atomgewichten aus, mischte alles. Plötzlich gewann es Gestalt: eine Tabelle der Elemente, und alles sehr harmonisch. Die Schuld der Treulosen war unwiderlegbar bewiesen: Diese Tabelle hatte schon vor mir einer erfunden, war er nun Russe, war er Österreicher, hieß er Mendel, hieß er Mendelejew. Die beiden werfe ich immer durcheinander, irgendwas stimmt da nicht mit den Erbsen. Das Gewicht welches Samens ist einem Karat gleich? Brillanten, glaub ich, werden damit gemessen. Ach, der Same heißt so, »Karat« …
     
    Nur einmal hatte Tischka die Augen zu seinem Auditorium heben können, dabei sah er Toschkas Augen, so sinnentleert wie zwei Soldatenknöpfe, und den matten Blick Manjas, die ein Knöpfchen an der Bluse aufgemacht hatte und sich Luft zuwedelte mit seinem Manuskript als Fächer.
    Als er die Lesung beendete, schlief Toschka friedlich, und Manja war nicht mehr da.
    Es war an jenem Abend, dass sie mit der Fähre in Richtung Eisenbahnstation ablegte, in Begleitung eines kürzlich angereisten Herrn, ob er nun Kaufmann war oder Sänger.
    Im Ungewissen, wohin es sie wohl gezogen hatte, entschloss sich Tischkin, nach Westen zu jagen, den getreuen Toschka jedoch nach Osten zu schicken, auch zu dem Behuf, falls er Manja nicht fassen sollte, dass er in den Goldgruben ein bisschen was zu verdienen suchte, damit die Arbeiten am Flug zum Mond fortgeführt werden könnten.
    Von Tischkins Abenteuern in den Hauptstädten war Anton nichts bekannt, er selbst jedenfalls dachte nicht daran, diese Manja zu fangen, doch zog er in die Goldgruben. Den langen
Rubel [ 27 ] gewann er dort nicht, dafür lernte er ein weiteres Genie kennen, seiner Nationalität nach Burjate, der im Büro als Rechnungsführer angestellt war, und der hatte gerade die Integralrechnung entdeckt und teilte Anton Geld für eine Reise nach Wladiwostok zu, damit er das Manuskript der Fernöstlichen Filiale der Akademie der Wissenschaften vorlegte. Eine solche Filiale fand er in Wladiwostok jedoch nicht, so wenig wie Manja, dafür in einer Bierkneipe einen Mathematiklehrer, der Anton darüber aufklärte, dass eine solche Rechenart schon im siebzehnten Jahrhundert entdeckt worden sei, auch von Newton, und darum niemandem als Neuheit erscheinen könne. Hier nun trat Leutnant Bruce auf die Bildfläche, welcher einen Mann suchte, der sich mit Ponys auskannte.
    Dann die Antarktis. Es geschah, was geschehen ist, bis hin zu unserer Begegnung im Pub. Anton wollte schon in die Heimat zurückkehren, mit der Absicht, unterwegs diesen Hering abzumurksen , Amundsen, um auf diese Weise zu rächen, dass er Scott die Priorität [ 28 ] weggeschnappt hatte, aber da begann der Erste Weltkrieg, Anton wurde einberufen und kam an die Front, wo er zwar nicht fiel, dafür in den ersten und einzigen Gasangriff [ 29 ] geriet, doch da war in Russland schon Revo
lution und Bürgerkrieg, in dem er sich der Roten Armee anschloss; an den verschiedensten Fronten trieb er sich herum, auch nach Murmansk verschlug es ihn, wo er »auf den Amerikaner Jagd machte« (zwar keine Intervention, aber irgendeine Truppenlandung hat es in Nordrussland folglich gegeben).
    Wirklich, wo die Russen offen, wo sie verschlossen sind, ist für mich ein Geheimnis! Anton breitete die intimsten Dinge vor mir aus, die man bei uns nicht einmal einem Freund sagen würde, zugleich ließ er sich um nichts in der Welt darauf ein, das »Geschenk der Königin« zu zeigen, damit es nicht »behext« würde. Ich hielt diesen Ausdruck für ungebührlich und zog es vor, ihm nicht zu

Weitere Kostenlose Bücher