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Der Symmetrielehrer

Der Symmetrielehrer

Titel: Der Symmetrielehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Bitow
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rüberfahren. Woher dann das Kerosin? Wo ist die Logik?«
    »Außer Logik bleibt ja nichts. Ganz einfach. Im anderen Teil der Insel, hinter dem Wäldchen, habe ich ein Lager.«
    »Gut. Mir will zudem nicht in den Sinn, wie du dich so in Marleen verwandeln konntest.«
    »Noch einfacher. Als wir im Kloster erzogen wurden, führten wir zu Weihnachten Krippenspiele auf. Mir fiel immer die Rolle des Engels zu, Marleen die des Teufels.«
    »Jetzt mach halblang. Du lügst wie zwei auf einmal.«
    »Wir sind auch zwei .«
    »Das heißt?«
    »Ich und Marleen. Welche hat dir besser gefallen?«
    »Hör auf.«
    »Wirklich nicht! Und wenn du uns beiden gefallen hast?«
    »Wechseln wir uns ab«, witzelte Urbino.
    »Wieder nicht. Wähl aus! Mit weniger bin ich nicht einverstanden.«
    »Und zu dem Zweck hast du dich überall rasiert?«
    »Das hatte ich seit langem vor, schon vor deiner Ankunft«, sagte Lili mit Marleens Stimme. »Außerdem …«
    »Was – außerdem?«
    »Ich habe mich geniert.«
    »Vor wem?«
    »Vor dir. Vor mir.«
    »Mir, ist das Lili oder Marleen?«
    »Klar, dir ist alles gleich. Aber ich schäme mich!«
    »Ah ja?«
    »Nicht ah ja! Blödmann! Scham ist das Fundament des Gefühls und das wichtigste bei diesem, wie nochmal, kann es nicht ausstehen, das Wort, bei diesem S-s-s …«
    »Sinn?«
    »Aber nein! S-s-se … kann nicht!«
    »Beim Sex, willst du sagen?«
    »Ja. Bloß drückt sich Scham bei Männern und Frauen unterschiedlich aus: Bei uns ist es Schüchternheit, bei euch Grobheit.«
    »Grobheit … Womit wir wieder bei Happenen wären. Na gut. Und die Schüchternheit, wo ist die? In deinem Tattoo?«
    »Was für einem Tattoo?« (Die Unschuld in Person.)
    »Na, das, an der intimsten Stelle.«
    »Ach, das … Das ist alles Marleen. Als Kind hat sie das aus lauter Blödheit gemacht. Übrigens, was hat sie dort? Ich hab es noch gar nicht recht betrachtet.«
    »Schüchternheit! Was seid ihr mir doch obergescheit, ihr beiden!«
    (Noch ein »Klatschen einer Hand«.)
    »Komm, lass uns nachschauen! Vielleicht eine Lilie, das Schandmal der Mylady?«
    »Welcher Mylady? Wo ist dir hier eine Mylady begegnet?«
    »Die ›Drei Musketiere‹ hast du doch irgendwann gelesen? Los, komm, zeig her!«
    »Aber nein!« widersetzte sich Lili und stieß seine Bereitschaft mit Abscheu zurück.
    »Aber ja!« schrie Marleen und griff danach mit Heftigkeit.
    Schlagartig sank alles herab, erschlaffte alles in Urbino.
    »Ihr könnt mich beide mal … Genug! Ich gehe packen.«
    »Kannst dich selber mal …«
    »Genug. Ich bin nicht dein Happenen. Du bist ein Monster! Und hier ist nicht Hollywood. Wir beide sind zwei Menschen. Du und ich. Und keine Marleen! Kein Happenen, keine Baronesse, keine …« Er stockte. Sie – begriff.
    »Auch keine Dika? Gerade sie hast du verraten!«
    »Ich bring dich um!«
    »Gott sei Dank! wenigstens irgendwelche Gefühle …«
    »Ich habe sie nicht verraten, solange sie …« Er stockte wieder, und wieder begriff sie.
    »Solange sie am Leben war ?« sagte sie statt seiner. »Aber du hast sie noch zu Lebzeiten betrogen!«
    »Woher willst du das wissen? Mit wem?«
    »Ich weiß das. Sonst hätte die Schlange sie nicht gebissen. Du hast sie mit der Schlange betrogen, die sie ins Herz gebissen hat.«
    »Mit der Schlange? Wie grausam du bist! Selber Schlange!«
    »Na endlich! fühlst und begreifst du wenigstens irgendwas. Du wirst es nicht glauben, aber ich bin sie. Und zwar – eben sie .«
    »Ich erwürg dich! Nein, ich schau mir dein Tattoo an! Was hast du dort, eine Schlange?« Urbino warf sich mit seinem ganzen Körper auf sie, drückte und presste, und sie merkten beide nicht, wie alles geschah …
    »Ein Tier bist du! Ein Vergewaltiger! Das vergebe ich dir nie!«
    »Marleen hat gesagt, du magst das.«
    »Eine läufige Hündin ist sie, deine Marleen!«
    »Du bist schlimmer als sie!«
    »Kreutzersonate!« stöhnte Lili Marleen.
    Ein Schatten fiel über ihre Körper.
    Drohend ragte Happenen über ihnen auf.
    »Was ist, sind Sie bereit?«
     
    Der Abschied war kühl. Urbino reichte ihr ein sorgfältig zugeklebtes Briefkuvert. Ohne Adresse und ohne Absender.
    »Das habe ich speziell für dich geschrieben, Lili. Nicht für Birdy und nicht für Marleen. Für DICH !«
    Auf dem Kuvert stand, in schwungvoller Schrift:
     
    EIN LETZTER FALL VON BRIEFEN
     
    Happenen patschte so ungeduldig mit den Rudern wie die immer unternehmungslustige Marleen mit dem Schwanz.
    »Schneller! Wir schaffen es nicht vor dem

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