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Der Symmetrielehrer

Der Symmetrielehrer

Titel: Der Symmetrielehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Bitow
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Sturm!«
    Und tatsächlich, am Himmel vollzog sich etwas Ungeheuerliches. Es war absolut windstill, doch die Wogen gingen höher und höher. Die Ränder des Himmels waren gleichsam angekohlt und umgebogen wie die einer chinesischen Pagode; dazwischen hatte sich ein heller, durchsichtiger Ring gebildet, innerhalb dessen, quasi direkt über dem Boot, sich eine Wolke zusammenzog, die zur Mitte hin immer schwärzer und finsterer wurde und herabhing wie eine Bombe.
    Ja, hier wartete alles auf seine rasche Abreise.
     
    Sie hatten den Sund halb überquert, da riss sich die schwarze Bombe vom schwer belasteten Himmel los wie ein Tropfen. Ein Loch tat sich auf am dunklen Himmel, und gerade dort stand der Vollmond und beleuchtete die sich aufbäumenden Wogen.
    »Lili! Ich hab's!« schrie Urbino; Wasserschwälle schluckend, kraulte er aus aller Kraft zurück zur Insel. »Ich hab das Wort aus dem Kreuzworträtsel: TROGLODYT !!!«
    »Troglodyt?« antwortete das Echo.
    Aber das war Happenen, der geschickt, wie ein Schwimmer an der Angel, in seinem Boot auf dem Wellenkamm tanzte.
    »Vergewaltige sie!« stieß Urbino gehässig hervor. »Sie mag das!«
    »Ganz bestimmt!« erwiderte Happenen und suchte mit dem Ruder seinen Kopf zu treffen.
     
    Ein Torpedoboot las ihn auf. Als sie alles Wasser aus ihm herausgepumpt hatten und er zu atmen anfing, war sein erstes Wort wie ein Ausatmen: »Happenen!«
    »Noch einer war mit mir im Boot! Wo ist er?«
    Sie flößten ihm Whisky ein. Er schluckte und schwamm auf anderen Wellen davon …
     
    The more we live –
The more we leave.
The more we choose –
The more we loose.
The more we try –
The more we cry.
The more we win –
The greater is sin.
To reach the aim –
Obtain the same.
The only law –
Loose Waterloo.
The only way –
Just run away.
    Ein letzter Fall von Briefen
    (Pigeon Post)
    Aus dem Gedichtband »Verse aus dem Kaffeesatz«
von Ris Vokonabi
    I
     
    I m Traum hat man zur rechten Zeit mir mitgeteilt,
dass heute deine Ankunft … Oh, verdammt!
ich wachte auf zu früh, war spät dran, kam
gerade noch, ein ungefährer Reim, zur Bahn
mit Ach und Krach, verfluchte hemmungslos
(es tagte kaum) der Diener Ungeschick:
mit solcher Nachricht mir zu spät zu kommen!
Ein Fallreep an der Uhr. Da musste ich hinab
und fiel dort in die Arme winziger
Vietnamesinnen, die mich erwarteten:
»Ksch! Weg! Nicht mein Geschmack!« Sie flatterten davon.
Das Schiff fuhr ab, maßlos zu spät war ich,
erdachte harte Strafen für den guten Diener,
der's zeitig, noch bevor ich aufgewacht, geschafft:
Was hat er doch Geschick! So was von unbegabt,
da müht der Fleißige sich ab, zur Zeit zu kommen,
die Lebenszeit mit Ticken abzumessen,
und nimmt der Zeit das Leben. Wie, du fragst, wofür?!
Nun, dafür, Lump: hast keine Dienerin gezwickt,
kein Bier zuviel gesüffelt, hast's geschafft,
nicht spät im Raum des Schlafs zu bleiben
und mit den Hähnen draußen abzukühlen!
    II
    Aus diesem Wahn reiß ich zuletzt mich raus,
ich schnelle hoch und seh mich schlaflos um:
»So eine Nacht! … war alles Einbildung.« Wer hat
den Sofaüberzug mir nächtens ausgetauscht,
die Wände umgestellt? Dort gegenüber, wo
ich gestern einschlief, da ist nun ein Rechteck,
von Staubgebüsch bewachsen, und in dieser Heide
ein weiteres, entsprechend geometrisch:
ein Brief, die Anschrift unsichtbar, ein Linienkreuz.
Zwei Fäden an den Ecken, schlingen sich zum Knoten –
ein Drache, ja! von ihm ein dünnes Schnürchen
verläuft zum Fenster. Dort, das Fenster, graut,
gleicht dem Kuvert … Das Fenster liegt im Staub,
das Briefkuvert im Fensterrahmen schimmert,
will fort, zum Himmel fliegen. Wunder der Verbindung,
tatsächlich. Bin jedoch des Rätselns müde:
Verluste zu bezeichnen ist stets nützlicher.
Das Fenster aufgerissen. Barfuß, frierend
die Handschrift. Nebelfetzen überm Fensterbrett:
»Ich war zu früh
am Bahnhof gestern morgen
drum warte nicht komm nicht zu spät
ich küsse dich schlaf gut leb wohl.
Marquise de Méranville.«
    Was für ein Quatsch!
    Ich reiß es durch. Bind los das Schnürchen.
Wer schreibt in unsrer Zeit noch Briefe, stimmt doch?
Der Brief fliegt hoch hinaus, er nickt dem Wind zu,
sanftrot der Himmel überm Städtchen
    (einstmals preußisch)
    vor Sonnenaufgang, dies zum Zeichen, dass
der Tag anbricht, es endlich heute wird!
Ich lächle, wisch mir über das Gesicht:
»Schon gut, schon gut!« – war alles nur ein Wahn,
    verkleidet als ein Traum.
    Ich stochere am Blümchen
    des Sofaüberzugs, wirkt

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