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Der Symmetrielehrer

Der Symmetrielehrer

Titel: Der Symmetrielehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Bitow
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»Bobo ist tot, doch ziehn wir nicht die Mütze …« Seine Großspurigkeit erwies sich als gerechtfertigt, das Gedicht gefiel nicht nur mir und Inga, sondern auch ihm selbst.
 »Hast mich überzeugt«, konnte ich nur noch sagen.
 Ich weiß nicht, ob das die erste Rezitation war. Das nächste Mal betrank ich mich bei ihm zu Hause, bei seinem Abschied. (10. 2. 2008, Anm. d. Ü. )
    [ 41 ] »pussy« (engl.) = »Kätzchen« und »Muschi«. Wie nennt sich das in der Philologie, wenn ein Wörterbuchwort und ein Jargonwort Homonyme sind? (Anm. d. Ü.)
    [ 42 ] Der geneigte Leser vergleiche das Fragment aus der »Elegie« des »Kanoniers« Alexander Puschkin (russ. »puschka« = Kanone):
   Doch möchte ich, o Freunde, noch nicht sterben:
   Ich möchte leben, um zu denken und zu leiden;
   Auch weiß ich, manchmal winken mir Genüsse:
   Trotz Kummer, Sorgen und Erschütterungen
   Berausch ich mich erneut an Harmonien,
   Vergieße Tränen über Phantasiegebilde,
   Vielleicht wird auch mein trister Niedergang
   Erhellt von einer Liebe Abschiedslächeln.
    (Anm. d.  ÜÜ .)
    [ 43 ] »sejtschas« und »stschastje«. Diese Etymologie geht gänzlich auf das Konto des russischen Übersetzerkollegen. (Anm. d.  ÜÜ .)

Die posthumen Papiere des Tristram-Klubs [ 44 ]
    (The Inevitability of the Unwritten)
    Aus dem Buch »Das Papierschwert«
von Urbino Vanoski
     
    Die einen hissten flink das Segel …
    Alec Cannon
     
    W ir waren zu dritt. Zusammen gerudert hatten wir nicht, zusammen Cambridge abgeschlossen auch nicht, zusammen Karriere gemacht auch nicht – zusammen wollten wir Schriftsteller werden. Und zusammen wurden wir es nicht. Der eine erhielt eine zu gute Erbschaft; der andere eine zu gute Ausbildung, absolvierte nun doch Oxford und legte sich ein Lädchen zu von Art des Dickensschen Raritätenladens, bloß anders ausgerichtet – ebenso unnötiger Krimskrams, bloß neumodisch, Jugendstil, und seltsamerweise kam er in Mode, sein Geschäft lief. Er wuchs und gedieh, ging selbst nicht mehr in den Laden, sondern überließ alles seinen Kommis und wälzte bloß noch Kataloge auf der Jagd nach seinen ausgefallenen Waren: mal ein Schirmchen mit Stühlchen, mal ein Maschinchen zum Scheren von Nasenhaaren, mal ein Feuerzeug mit Korkenzieher usw. Ich hingegen hatte gelernt, ohne alles zu leben außer ohne Unordnung, also, ich tat ebenfalls nichts.
    Unser Krösus hieß William; der Trödelkrämer, obwohl unter uns der mit den aristokratischsten Wurzeln, einfach John. Ich – das bin ich. Ernest.
    Und waren wir auch noch keine Schriftsteller, doch begabte Leser waren wir, bestimmt.
    Das, meine ich, schweißte uns auch zusammen: Je strenger unser Geschmack wurde, desto seltener waren wir geteilter Meinung. Ah ja, zu erwähnen vergaß ich noch, und das könnte sich fernerhin als nicht unwichtig erweisen: Wir waren eingefleischte, geradezu verstockte Junggesellen. Erzählen, wie es sich bei den anderen ergeben hat, will ich nicht, das ist ihre Privatsache – ich weiß, wie es bei mir dazu kam.
    Gerda Uwicz-Baraşku war polnisch-rumänischer Herkunft, eine Frau von echter Schönheit und Klugheit; ich war sofort von meiner immerwährenden Liebe überzeugt, und sie erwiderte mein Gefühl. Glück und Erfolg darf es auch nicht im Überfluss geben! Sie hatte mir gleich gesagt (sie sprach ihr eigenes Englisch): »Ich will dir heiraten«, doch ich konnte diesen Fall nicht akzeptieren und hatte es mit der Zustimmung nicht eilig, auch rieten John und William mir ab. Letztendlich erteilte sie mir noch dreimal eine Abfuhr, obwohl wir die ganze Zeit zusammenlebten. Nicht dass nicht auch William und John in sie verliebt gewesen wären, nun aber, da es mir irgendwie peinlich wurde, ein viertes Mal die Rede aufs Heiraten zu bringen, blieb sie für mich einfach mein engster Freund, wie übrigens auch für John und William. Als einzige von uns stand sie wirklich im Berufsleben, sie übersetzte aus ausgefallenen Sprachen, einschließlich ihres Rumänisch und Polnisch, und schrieb bisweilen Kritiken über Neuerscheinungen. Deshalb lag es auf der Hand, dass wir ihr antrugen, Präsident unseres Klubs zu werden.
    Aber das kam später, nicht gleich. Ich beginne damit, auf welche Art unser Klub entstanden ist.
    Entstanden ist er ganz von selbst, sehr natürlich – auf dem Wege der Entartung .
    Ursprünglich versammelten wir uns zu dritt bei William, um uns gegenseitig vorzulesen, was wir

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