Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Symmetrielehrer

Der Symmetrielehrer

Titel: Der Symmetrielehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Bitow
Vom Netzwerk:
hatte und zurückkehrte. »Ich hätte da jemanden, der zu Hoffnungen berechtigt …«
    So führten wir die Kategorie »Korrespondierendes Mitglied« ein, nachdem wir Jerome K. Jerome zum Ehrenvorsitzenden ernannt (ich garantiere nicht, dass er einverstanden gewesen wäre, hätte er es erfahren) und sein Porträt an die Wand gehängt hatten (bis heute bin ich mir nicht sicher, ob er nicht mit Nietzsche verwechselt wurde). Korrespondierende Mitglieder wurden es mehr und mehr, die Hoffnungen vermehrten sich nicht.
    Mal tauchte ein Physikochemiker bei uns auf, mal ein entlaufener Priester, mal ein Astronom oder Astrologe, und eines Tages sogar ein zu großen Hoffnungen berechtigender Politiker. Damals entstand auch die Idee (auf dass unsere Gespräche nicht sinn- und zwecklos verpufften), im Namen des Klubs einen NGLP zu gründen, einen Neuen Großen Leser-Preis. Das unterstützten alle, diese müßige Idee.
    »Es wird eng hier«, erklärte Oneday finster, »wir brauchen mehr Platz.«
    Ihm war gerade vom nächsten Tantchen eine kleinere Villa als Erbschaft zugefallen, und er verharrte in schwerem Brüten, was er verkaufen und was behalten sollte.
    Im Endeffekt tauchte wie von selbst die Idee auf, ob nicht wir fürs erste zum Tantchen ziehen sollten, solange Oneday die Erbschaftsangelegenheit abwickelte. Bei der Aussicht auf eigene Räumlichkeiten stellte sich zwangsläufig die Frage nach der Struktur, das heißt, wer dem Ganzen vorstehen sollte.
    Als Kandidaten für die geschäftsführende Präsidentschaft schlug ich unsere gemeinsame Freundin vor, was mit Enthusiasmus aufgenommen wurde.
    Gerda war einverstanden, doch angesichts des großen Umfangs der bevorstehenden Arbeit und ihrer generellen Arbeitsüberlastung verlangte sie außerdem den Posten eines verantwortlichen Sekretärs (den passenden Mann hatte sie bereits im Auge). Murito Pilavut war ebenfalls gemischter Herkunft, aber mit asiatischen Wurzeln, nämlich aus einem Land, eingeklemmt zwischen englischen und russischen Kolonien und mit der typischen Endung »-stan«. Englisch sprach und schrieb er sogar besser als Gerda und war auch mit einem völlig unbedeutenden Gehalt einverstanden, unter der Bedingung, dass wir seinen Posten vom verantwortlichen Sekretär in Generalsekretär umbenannten, was wir für eine normale Absprache hielten, das heißt, wir bestätigten ihn auf diesem Posten. Zu seinen Pflichten gehörte, außer der unumgänglichen Verwaltung, auch bei unseren Sitzungen Protokoll zu führen und deren privacy zu wahren (wozu wir uns einen Safe zulegten, dessen einziger Schlüssel bei Gerda aufzubewahren war).
     
    So übersiedelten wir denn in die Villa des Tantchens in einem stillen und grünen Londoner Viertel, und als wir den Kamin angeheizt und die Pfeifen angeraucht hatten, machten wir uns, bei Portwein und Sherry, an die Beurteilung der Novitäten der übersetzten Literatur (auf dass wir uns nicht in den inländischen Literaturprozess verstrickten), um einen Preisträger für den Preis »Bestes ausländisches Buch des Jahres« zu küren, nicht ohne im Lauf der Besprechung der diesbezüglichen Kriterien bisweilen zu den Aussichten für die Niederschrift unserer künftigen ungeschriebenen Werke überzuwechseln.
    Allerdings endete es jedesmal unvermeidlich mit einem Puzzlespiel oder dem Lösen von Kreuzworträtseln oder dem Erfinden von Scharaden, was uns auch zur Bildung verschiedener Anagramme brachte.
    Der Code dieses Spiels war, ausführlich formuliert, der folgende:
     
    ES GIBT KEINEN SINN , DER SICH NICHT
NOCH PRÄZISER UND NOCH KÜRZER AUSDRÜCKEN LIESSE !
     
    Das Verfahren des Spiels war einfach, es ging von der Vorstellung aus, jedes komplexe Wort sei eine ganze Welt einfacherer Wörter, die sich aus seinen Buchstaben bilden lassen. Das erste, gleich gelungene Beispiel überzeugte uns, und wir »wurden persönlich« . Wie sich zeigte, ist der große Mann buchstäblich in seinem Namen verkörpert, dem Geschlechts- und dem Taufnamen, das heißt, in einem oder mehreren aus seinem Namen gebildeten Schlüsselwörtern lassen sich sowohl sein Schicksal wie auch der Charakter seiner Kunst beschreiben. (Wie frohlockte ich, als ich aus Laurence Sterne sogleich Sinn und Satz [ 47 ] herausbekam!). Von den großen Männern gingen wir, ohne auch nur zu versuchen, Distanz zu halten, gleich zu uns persönlich über. Wir dröselten nun die eigenen Namen auf, um zu erfahren, in welche Richtung wir uns entwickeln sollten.
    Aus unseren Namen ließen sich

Weitere Kostenlose Bücher