Der Symmetrielehrer
unerwünschter Regimes entstehen ließ, die andernfalls zu vermeiden gewesen wären. In ihrem Bemühen, es besser zu machen, brachten es die Geheimdienste auf diese Weise fertig, die Geschichte des 20. Jahrhunderts noch um einiges zu verschlimmern. Das heißt, im Roman wurde anschaulich die Polyvariabilität der Zukunft vorgeführt sowie die Rolle des blinden Zufalls (eben nicht der Vorsehung!), welcher den unvermeidlichen Folgegang der sogen. Geschichte bestimmt. Ich bestritt entschieden dieses Unbestimmtheitsprinzip, indem ich auf der Vorsehung beharrte; der gebildete Barley unterstützte mich, indem er einen passenden Begriff (Determinismus) beisteuerte; am geschicktesten zog sich aber Gerda aus
der Affäre, indem sie ein Sujet, das dermaßen auf Gastroenterologie beruht, als unästhetisch befand; zwar wäre die Geschichte wirklich so, doch die Geschichte als Gegenstand desgleichen. (Obwohl, heute meine ich ja, dass wir ihn wegen anderem nicht akzeptierten, nämlich wegen seines gerade veröffentlichten Buchs, das Erfolg hatte.) Wir rieten ihm, sich völlig der Politik hinzugeben, was er auch tat. (Aber auch dort hatte er Erfolg, ganz sicher deshalb, weil er die Gesetze der Verdauung gut kannte.) [ 50 ]
Nach diesem so markanten Politiker fiel es uns bereits leichter, einen anderen Kandidaten abzulehnen. Der Professor für Physikochemie ermüdete uns mit seinem Einfall über einen Einfall, das heißt, mit dem Sujet, wie er sein Sujet nicht komponiert bekam (der Roman hatte dazu noch den trostlosen Titel »Das Sujet«). Der Professor versuchte die Geschichte zu erzählen, wie einem Russen das Periodensystem der chemischen Elemente im Traum erschienen war. Die Erzählung war überhäuft mit Details, die höchstens den Fachmann interessieren, außerdem mit unverständlichen russischen Scherzen, so dass wir einduselten und den gesamten Traum für nicht glaubhaft befanden.
Der andere Professor (ein Astronom, insgeheim Astrologe) suchte in dem »fast vollendeten« Roman »Zum hundertsten Jahrestag der Abschaffung des Kalenders« (den Titel verwarfen wir gleich – ein zu komplizierter Scherz) die Kabbala ins zeitgenössische Bewusstsein zurückzuführen, indem er den Buchstaben erneut mit der Zahl vereinte. Da hatten wir den Eindruck, er taste unser Anagramm-Monopol an, worauf wir ihn abnagten und ausspuckten wie ein Knöchelchen, nicht ohne ihm zu empfehlen, den Roman endlich abzuschließen und dann wiederzukommen.
Uns wurde traurig zumute.
»Es wäre Zeit, dass irgendeiner von uns wenigstens irgendwas abschließt«, seufzte Barley.
Alle zogen den Kopf ein.
»Seid ihr nicht zu anspruchsvoll geworden?« stichelte Gerda.
»Wäre es nicht an der Zeit, dass wir den Kamin anheizen?« schlug ich vor.
»Wir brauchen frisches Blut!« sagte der entschlossene Oneday.
»Werden wir nicht zu blutrünstig?« Ich erkannte meine eigene Stimme nicht wieder. »Auch ich hätte jemanden im Auge.«
»Wir müssen eine Satzung erstellen!« seufzten wir im Chor.
Mit dieser schwierigen Aufgabe kamen wir merkwürdigerweise leichter zu Rande, das heißt, es bedurfte zuvor nur einer leichten Atzung …
SATZUNG
1.
Völlige Freiheit für das Wort! (Das heißt, keinerlei Arbeit daran, soll das Wort doch am Autor arbeiten.)
2.
Die Verantwortung des Autors für seinen Helden darf nicht geringer sein als die Anforderungen, die er an sich selbst stellt.
3.
Es gilt die Direktive echte Phantasie, das heißt das kategorische Verbot eines jeden Sujets über große Männer (die gibt es ja ohnehin) wie auch der sogen. Science-fiction.
4.
Schwierigkeiten beim Verfassen eines Textes sind kein Zeichen für Faulheit, sondern für die Komplexität der Aufgabe.
5.
Nicht schreiben darf man alles, was man möchte.
6.
Schreiben darf man nur, was gelingt.
7.
Bücher und Manuskripte werden nicht gelesen und nicht zurückgeschickt.
8.
Als Korrespondierendes Mitglied ist ein nicht publizierender Autor anzusehen, der von einem der Vollmitglieder des Klubs zur Prüfung zugelassen wurde.
9.
Ein Werk zu veröffentlichen ist einem Klubmitglied nur dann gestattet, wenn alle Klubmitglieder es für vollendet halten.
10.
Nach der Veröffentlichung eines Werks scheidet der Autor automatisch aus dem Klub aus.
11.
Die Aufnahme eines neuen Mitglieds kann nur einstimmig erfolgen.
12.
Der Klub löst sich von selbst auf, wenn eines der Mitglieder sich herausnimmt, sich über ein anderes zu stellen.
Zusatzklausel:
a)
Der
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