Der Täter / Psychothriller
Winter war über die Nachricht von Jeffersons Tod schockiert, verbarg jedoch seine Gefühle hinter einem Pokerface. Robinsons Erschütterung über Jeffersons Ermordung stand dem Detective deutlich ins Gesicht geschrieben. Deshalb wandte sich Winter behutsam an ihn: »Sie sagen, der Mann wurde verstümmelt? Wie?«
»Die Einzelheiten würde ich uns allen lieber ersparen, Mr.Winter.«
»Nun, er wurde nicht ohne Grund gefoltert und dann nicht ohne Grund verstümmelt, denn ich denke, dieser Psychopath tut nichts ohne Grund, deshalb glaube ich, dass uns alles, was er tut, etwas über ihn sagt und uns vielleicht dabei hilft, vorauszuahnen, was er als Nächstes plant. Daher noch einmal die Frage: Wie wurde er verstümmelt?«
Robinson hörte die sachliche Kälte im Ton des Älteren. »Ihm wurde die Zunge herausgeschnitten.«
Frieda Kroner schnappte nach Luft und hielt sich die Hand vor den Mund. Der Rabbi schüttelte den Kopf.
»Das ist entsetzlich«, sagte der Geistliche.
Doch Simon Winter kniff die Augen zusammen, während er kombinierte. Er sprach leise und zuversichtlich.
»Da hol mich der Teufel«, fluchte er.
Die anderen sahen ihn an.
»Das hätten Sie von einem verdorbenen Kerl wie Jefferson nicht erwartet, oder? Im Leben nicht.«
»Was?«
»Dass Jefferson dem Schattenmann nicht mitteilt, was er von ihm hören wollte.«
»Nämlich?«
»Was die Polizei weiß. Wie intensiv Sie nach ihm suchen. Wie dicht Sie ihm schon auf den Fersen sind. Welche Beweise es dafür gibt, dass er existiert. Mir fallen ein Dutzend Fragen ein, die den Schattenmann dazu gebracht haben können, Ihrem Zeugen mitten in der Nacht einen Besuch abzustatten.«
Winter überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Außerdem sagt es mir, dass Leroy Jefferson dem Schattenmann nichts von dem Phantombild verraten hat. Das können wir uns also immer noch zunutze machen.«
Walter Robinson dachte einen Moment nach, dann nickte er. »Ich nehme an, Sie haben recht«, gestand er ein. »Armer alter Leroy.« Er schwieg, dann fügte er hinzu: »Natürlich könnte die Verstümmelung auch bedeuten, dass der Schattenmann wütend auf Jefferson war, gerade
weil
er redete, und so hat er es zum Ausdruck gebracht.«
»Die Auftragskiller des organisierten Verbrechens hinterlassen ihre Signaturen«, erwiderte Winter ruhig. »Sie tun Dinge, die sie als Botschaft verstanden wissen wollen. Ich glaube nicht, dass der Schattenmann dasselbe tut. Bei seinen Morden bemüht er sich, keine Routine erkennen zu lassen. Ich glaube, diesmal war er frustriert. Das – und vielleicht spielte auch Rassismus hinein. Leroy Jefferson war für ihn nichts weiter als ein lästiges Hindernis. Ich glaube, wir sollten versuchen, schnell zu handeln. Er legt ein rasantes Tempo vor. Das sollten wir auch.«
Walter Robinson sann angestrengt über Winters Worte nach und nickte. »Simon, ich denke, Sie haben recht. Umso mehr Grund, Mrs.Kroner und den Rabbi noch heute aus Miami Beach fortzubringen. Jetzt, auf der Stelle.«
Als Winter ihn ausdruckslos anstarrte, fügte Robinson in gereiztem Ton hinzu: »Verdammt! Die beiden sind unser Dreh- und Angelpunkt, richtig? Was haben wir ohne sie? Herman Stein wird wieder zum Selbstmordfall, für immer. Sophie Millstein kommt als ungelöster Fall ins Archiv, Täter unbekannt. Reine Statistik. Und Irving Silver bleibt, wo immer er sich befindet. Vermisst. Punkt. Nicht mal von ›verschwunden‹ hochgestuft – vielleicht ertrunken. Wie viele mag es da draußen in dieser Kategorie noch geben? Das Einzige, was auf ein und denselben Mörder verweist, sind diese alten Leute! Ohne sie bekommen wir ihn niemals vor Gericht.«
Winter ließ sich mit der Antwort Zeit. »Das ist mir klar.« Er wollte der Bemerkung etwas hinzufügen, als Frieda Kroner ihn unterbrach.
Sie war ein wenig blass geworden und schüttelte heftig den Kopf. »Ich gehe nicht«, erklärte sie.
Robinson wandte sich ihr zu. »Bitte, Mrs.Kroner, ich weiß, Ihre Absichten sind bewundernswert, aber dies ist nicht der rechte Zeitpunkt. Ich fürchte, Sie sind in großer Gefahr, und ich denke, Sie sind unverzichtbar, wenn es darum geht, diesem Mörder den Prozess zu machen. Bitte lassen Sie mich Ihnen helfen …«
»Mir können Sie nur auf eine einzige Weise helfen, Detective. Finden Sie den Schattenmann.«
»Mrs.Kroner …«
»Nein!«, erwiderte sie wütend. »Nein! Nein!
Nein!
Die Frage, ob wir von hier verschwinden sollen, haben wir schon ausgiebig erörtert, und wir haben uns
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