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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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sie misstrauisch an. Er hob eine Hand und zeigte auf die Pillendöschen, die Sauerstoffmaske und dann auf sich selbst.
    »Ich liege im Sterben, Miss Martinez. Ich habe Schmerzen, und ich zähle die Atemzüge, die ich noch habe.«
    Maria Wilmschmidt schluchzte ein wenig beim Übersetzen.
    »Gibt es einen Himmel, Miss Martinez?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Früher einmal hatte ich Anteil an schrecklichen Dingen, Miss Martinez. Dinge, die Sie nicht einmal ansatzweise begreifen können. Ich höre nachts Schreie. Ich sehe Gesichter an den Wänden. Geister in diesem kleinen Zimmer, Miss Martinez. Sie sind hier bei mir, es werden jeden Tag mehr. Sie rufen nach mir, und bald werde ich versuchen, Luft zu holen, aber ich kann es nicht. Ich greife nach der Sauerstoffmaske, aber es geht nicht mehr. Ich mache meinen letzten Atemzug und sterbe. Das ist alles, was ich noch vor mir habe.«
    Er schwieg, um Kraft zu schöpfen.
    »Also habe ich mich gefragt, ob ich das, was ich über diesen Mann weiß, mit ins Grab nehmen soll. Sagen Sie es mir, Miss Martinez. Kann ich jetzt meinen Frieden machen? Jetzt, wo ich von ihm und dem, was er getan hat, gesprochen habe?«
    »Ich weiß nicht«, log sie.
    Der alte Mann schien immer kleiner und dunkler zu werden, als hüllten ihn plötzlich Nacht und Nebel wie ein Mantel ein. Sein Atem kam rasselnd und unregelmäßig.
    »Den Schattenmann finden? Das kann ich nicht, Miss Martinez.«
    »Aber …«
    »Aber ich weiß den Namen, unter dem er geflohen ist.«
    »Sagen Sie ihn mir!«, forderte sie ihn hastig auf, als müsse sie ihn unbedingt erfahren, bevor der Mann auf dem Bett wieder hustete.
    Er grinste, und sein Gesicht sah dem Totenkopf auf seinem Dolch ähnlich, mit dem er eben noch herumgefuchtelt hatte.
    »Ja«, sagte er. »Ich kann Ihnen den Namen nennen. Und ich kann Ihnen noch etwas verraten.«
    »Was denn?«
    Klaus Wilmschmidt, der dem Tode so nahe war, flüsterte zur Antwort: »Ich weiß, was für eine Nummer der Schattenmann am Arm hat …«

[home]
24
    Der Historiker
    S imon Winter und Walter Robinson standen ein wenig abseits und sahen zu, wie der Rabbi und Frieda Kroner das Phantombild des Schattenmannes betrachteten. Die alten Menschen waren wie zwei Gelehrte, die über verblassten, uralten Hieroglyphen brüteten, still und selbstvergessen bei der Sache, bis sich jeder von ihnen abrupt zurücklehnte. Frieda Kroner hatte einen etwas wilden, verwegenen Ausdruck im Gesicht, als sie erklärte:
    »Das ist er. Abgesehen vom Kinn. Das müsste deutlich kräftiger sein …«
    »Die Augenbrauen sind nicht ganz richtig getroffen. Sie müssten stärker zusammengekniffen sein, als wäre er die ganze Zeit wütend«, meinte Rabbi Rubinstein steif. »Dann wären seine Augen mehr wie, ich weiß nicht, Frieda, erinnern Sie sich an seine Augen?«
    »Ja«, nickte sie. »Schmal, wie bei einem bösartigen Hund.«
    »Und der Rest?«, fragte Robinson.
    »Der Rest ist der Mann, den wir vor fünfzig Jahren gesehen haben.« Frieda Kroner sagte das in festem, grimmigem Ton. Sie drehte sich zum Rabbi um. »Älter. Nicht mehr jung. Wie wir. Nicht wahr?«
    »Ja, das ist der Schattenmann«, pflichtete der Rabbi bei. Er legte ihr die Hand auf den Arm, dann wandte er sich an den Detective: »Ich würde ihn augenblicklich wiedererkennen.«
    »Ich auch«, beteuerte Frieda Kroner. Sie holte tief Luft. »Und ich denke, das galt auch für die arme Sophie und den guten Irving. Wenn wir jeweils klein oder groß, dick oder dünn, dunkelhaarig oder blond in Erinnerung haben, dann liegt das einfach daran, dass dort ein solches Chaos herrschte und sich uns nur bruchstückhafte Szenen eingebrannt haben. Aber jetzt, da ich ihn vor mir sehe, kann ich bestätigen, dass er es ist.«
    Obwohl sie zitterte, klang sie resolut.
    »Sie glauben also, Detective, und Sie auch, Mr.Winter, Sie glauben, dass er heute Abend da draußen ist« – sie deutete mit einer ausladenden Handbewegung auf das Fenster und die Nacht dahinter – »und diesmal nach uns Ausschau hält?«
    Simon Winter nickte.
    Frieda Kroner lachte leise, als fände sie den Gedanken amüsant. »Dann werden wir vielleicht nicht allzu gut schlafen. Ich weiß noch, wie das ist …«
    Walter Robinson hatte sich beim Anblick des alten Paares nur mühsam beherrschen können. »Ich hab’s mir anders überlegt«, erklärte er. »Ich glaube, das Risiko ist zu hoch. Dieser Mann ist praktisch ein Profikiller, mehr als das. Ein mörderischer

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