Der Täter / Psychothriller
Detective eine Adresse. Dann faltete er eine Kopie des Phantombilds zusammen und steckte sie in die Tasche.
Walter Robinson hielt an. »Es wird sehr bald etwas passieren«, meinte er. »Heute verlesen sie die Bekanntmachung.« Er sah wieder auf die Uhr. »Genauer gesagt, jeden Moment. Müsste in den nächsten paar Tagen etwas lostreten. Und ich bin gespannt, was Espy rausbekommen hat.«
»Rufen Sie mich an, wenn Sie was erfahren. Ich schaue nur kurz hier vorbei, danach bin ich zu Hause.«
»Was haben Sie vor?«
»Ach, nur eine wilde Vermutung«, wich der alte Detective aus und trat vom Dienstwagen zurück. »Außerdem sind sie wahrscheinlich alle längst nach Hause gegangen.«
Walter Robinson musterte den älteren Mann. Über ihnen setzte ein Düsenflugzeug in einer Schleife zum Landeanflug auf den Internationalen Flughafen Miami an, und seine Bahn führte es mitten über Miami Beach. Es war noch so hoch, dass sie kein Motorengeräusch hören konnten und der Flieger schwerelos über den Abendhimmel zu schweben schien.
»Wie wild?«, hakte Robinson nach.
Winter hatte sich schon umgedreht, doch als er die Frage hörte, wandte er noch einmal den Kopf und machte eine wegwerfende Handbewegung, als wollte er sagen, es sei die Zeit und Mühe des Detective nicht wert. Robinson sah die Geste und verstand genau, was sie bei ihm bezwecken sollte. Er widerstand dem Drang, sich in den Verkehr einzufädeln und zum Flughafen zu fahren, wohin es ihn mit aller Macht zog. Stattdessen nahm er den Gang heraus und sprang aus dem Wagen. Simon Winter, der ein paar Schritte vor ihm auf dem Bürgersteig lief, blieb stehen und grinste.
»Was, trauen Sie mir nicht?«
»Darum geht es nicht«, erwiderte Robinson, als er den älteren Detective eingeholt hatte. Statt seinen Einwand näher zu erläutern, fragte er: »Was ist das hier?«
»Das Holocaust Center«, antwortete Winter. »Vor allem aber der einzige Ort, an dem ich seit diesem ganzen Schlamassel gewesen bin, wo die Vergangenheit die Gegenwart einholt. Das heißt, abgesehen von mehreren Toten, für die das Gleiche gilt.«
Robinson im Schlepptau betrat er das Gebäude.
Als sie zur Tür hereinkamen, war die Frau an der Rezeption gerade dabei, ihre Sachen einzusammeln, schien jedoch gebührend beeindruckt, als Robinson seine Dienstmarke zückte. Binnen weniger Sekunden wurden sie in Esther Weiss’ Büro geführt, wo die junge Frau neben ihrem Schreibtisch stand. Sie begrüßte Simon Winter ebenso herzlich wie kurz angebunden. Auch sie war im Aufbruch begriffen.
»Mr.Winter, schon Fortschritte zu verzeichnen? Gehen Sie immer noch davon aus, dass dieser Mann hier in der Gegend ist?«
Winter machte sie mit Walter Robinson bekannt, und Esther Weiss fragte: »Glaubt die Polizei jetzt auch daran, dass der Schattenmann hier sein Unwesen treibt?«
Robinson antwortete ihr mit einem knappen Ja.
Die Leiterin des Zentrums schauderte ein wenig, legte ihre Aktentasche auf den Schreibtisch und nahm auf ihrem Sessel Platz. »Das ist entsetzlich. Ich hätte so etwas nie für möglich gehalten. Sie müssen ihn finden, er muss zur Rechenschaft gezogen werden. Es gibt Gerichte in Israel. Und in Deutschland …«
»Ich bin mehr an einem Gericht am anderen Ende dieser Stadt interessiert«, entgegnete Robinson.
Esther Weiss nickte. »Natürlich, er muss verurteilt werden.« Sie schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch Simon Winter unterbrach sie.
Dieser Punkt war zwischen ihm und der jungen Frau schon zur Sprache gekommen, und seiner Meinung nach gehörte es zu den Privilegien des Alters, dass man darauf bestehen durfte, dieselben Wege nicht zweimal zu beschreiten. Daher folgte er seinem Instinkt, griff in seine Jackentasche und faltete das Blatt mit dem Phantombild auf. Ohne ein einziges Wort schob er es Esther Weiss über den Schreibtisch entgegen. So wie alle anderen starrte sie angestrengt auf die Zeichnung, doch als sie aufsah, zitterte ihr rechtes Augenlid, und ihre Stimme klang belegt.
»Ich kenne diesen Mann«, erklärte sie bedächtig und sichtbar verwirrt. Sie zuckte von dem Bild zurück, als sei es elektrisch geladen. »Jedenfalls habe ich ihn schon ein-, zweimal oder auch häufiger gesehen …«
Espy Martinez war erstaunt, dass Walter Robinson sie nicht am Terminal des Internationalen Flughafens empfing. Sie befand sich in diesem Schwebezustand, den Flüge über große Zeitzonen mit sich bringen, und konnte nicht sagen, ob sie erschöpft oder energiegeladen war. Sie ging
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