Der Täter / Psychothriller
sind.«
Espy Martinez war aufgeregt. Am liebsten hätte sie das Verhaftungsteam begleitet, doch ihr war nicht entgangen, dass Walter Robinson sie nicht dazu aufgefordert hatte.
»Ich will dabei sein«, sagte sie entschlossen.
»Espy, das letzte Mal, als ich dir erlaubt habe, mitten in der Nacht zu einer Verhaftung mitzukommen, wärst du um ein Haar erschossen worden. Diesmal nicht.«
Sie wollte protestieren, überlegte es sich aber.
»Deine Reise …«, fragte er.
»Ich habe einiges in Erfahrung gebracht«, erwiderte sie, »faszinierende Dinge, ich meine, Dinge, von denen ich keine Ahnung hatte. Ich meine, du hast Geschichte als Unterrichtsfach an der Highschool, aber du weißt nicht viel davon, bis dir so jemand unter die Augen kommt. Dieser Kerl, Walter, der Schattenmann, der wurde von der Gestapo sorgfältig ausgebildet. In allen möglichen Techniken und Disziplinen. Observation, Fälschung, Mord, das ganze Programm. Ein übler Bursche, Walter, nimm dich in Acht.«
Robinson sah Leroy Jefferson in seinem Rollstuhl vor Augen und dachte: »Übel« ist geschmeichelt. Ihm wurde bewusst, dass Espy Martinez keine Ahnung hatte, was mit ihrem Zeugen passiert war, und wollte sie gerade davon unterrichten, ließ es dann aber sein. Er sah, dass die Leute vom SWAT -Team gerade ihre Schutzkleidung überzogen und wie eine Gruppe Quarter Horses, die zusammengetrieben wurden, mit den Füßen stampften, und er erkannte, dass es Zeit war, aufzubrechen.
»Die haben ihn ausgebildet?«
»Zum Experten, ja. Kannst du dir das vorstellen? Und diese Kerle, Walter, das waren die Besten, wenn man das so sagen kann, und der alte Nazi, von dem ich das alles habe, meint, dass unser Mann der Beste von allen war. Geh also auf Nummer sicher, ja?«
»Natürlich.«
Er wollte gerade auflegen, doch sie hinderte ihn daran und teilte ihm im Flüsterton mit: »Da ist noch was, Walter. Das könnte hilfreich sein …«
»Was denn?«
»Er hatte eine KZ -Nummer am Arm eintätowiert. Das gehörte zu seinen Tarnmanövern gegen Ende, als ihnen alles um die Ohren flog und die Ratten das sinkende Schiff verließen. Ich hab die Nummer. Er mag tausendmal seine Identität geändert haben, aber ich vermute, die Nummer hat er behalten. Wenn ihr ihn zu fassen bekommt …«
»Wie lautet sie?«
»A26 510«, sagte Espy Martinez.
Robinson notierte sie sich auf.
Einen Block von dem Mann entfernt, der behauptete, er schriebe seine Memoiren, wechselte der Captain des SWAT -Teams aus dem Transporter, in dem sein Trupp mitfuhr, in den nicht gekennzeichneten Wagen, den Robinson steuerte. Der SWAT -Team-Chef warf sich so schnell, wie es ihm seine Schutzkleidung erlaubte, auf den Rücksitz.
»Na denn, Walt«, meinte er, »statten wir ihm einen Besuch ab.«
Walter Robinson legte wortlos den Gang ein, und langsam fuhren sie mitten in einem Wohngebiet eine dunkle Seitenstraße entlang.
Der Teil von Miami Beach rund um die einundvierzigste Straße ist eine seltsame Ansammlung von Häusern. Einige, wie zum Beispiel diejenigen, die an die mitten durch Miami Beach verlaufende Wasserstraße grenzen, sind Millionen-Dollar-Objekte. Die großen eleganten zweistöckigen Residenzen mit ihren Jugendstilelementen und den roten Dächern aus Hohlfalzziegeln sind bei vielen der Yuppies beliebt, die wieder nach Miami Beach zurückziehen. Doch dazwischen sind Straßen mit weniger prächtigen Palmen und weitaus bescheideneren Häusern eingestreut: Die Schotterbeläge haben Schlaglöcher, und die niedrigen Häuser mit ihren Flachziegeln und den Jalousien an den Fenstern wirken deprimierend monoton. Makler bezeichnen solche Eigenheime gern als »Einstiegshäuser«, die sich Paare leisten können, die gerade erst auf eigenen Beinen stehen und keine Unterstützung von ihren Eltern zu erwarten haben, oder auch alte Leute an ihrem Lebensabend, die in Miami Beach ihre Heimat sehen und sich noch nicht aus Furcht vor Kriminalität in die Wohnungen der Hochhäuser verkrochen haben. Viele dieser Immobilien fallen unter die Maklerkategorie »Gelegenheit für den Heimwerker«, was im Klartext heißt, dass sich aufgrund der jahrelangen, unablässigen feuchten Hitze und der Sonneneinstrahlung die Holzböden verzogen haben oder die Zementfundamente abgesenkt haben und rissig geworden sind. Nicht selten kauert eines dieser Häuser, die so alt und hinfällig wie ihre Bewohner wirken, als stummes Zeugnis der Vernachlässigung im Schatten des großen, um- und ausgebauten Eigenheims eines
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