Der Täter / Psychothriller
Gerichtsmediziner die Todesursache fest.«
»Sie wurde …«
»Ja. Ihre sterblichen Überreste werden ins Leichenschauhaus des County überstellt. Nach Abschluss der Untersuchungen werden Sie sich mit einem hiesigen Bestattungsinstitut in Verbindung setzen müssen. Wenn Sie morgen Nachmittag im Leichenschauhaus anrufen, kann Ihnen eine Sekretärin einige Telefonnummern geben.«
»Oh, mein Gott.«
»Mr. Millstein, es tut mir sehr leid, Ihnen diese Nachricht zu übermitteln. Ich muss Sie außerdem vorwarnen, dass Sie möglicherweise von der hiesigen Presse und lokalen Sendern hören könnten. Zweifellos wollen Sie nähere Einzelheiten wissen, und ich werde Sie so gut ich kann auf dem Laufenden halten, aber im Moment wartet Arbeit auf mich. Sie können mich jederzeit unter der Nummer anrufen, die ich Ihnen gegeben habe. Ich werde dort schätzungsweise ab acht Uhr morgens erreichbar sein.«
Der Anwalt gab einen Laut von sich, in den sich Schluchzen und Stöhnen mischten, und Robinson legte auf.
Espy Martinez beobachtete ihn aufmerksam. Sie fühlte sich fast wie ein Voyeur, der – halb gebannt, halb abgestoßen – die Geschehnisse wie in Zeitlupe verfolgte. Für einen kurzen Moment erkannte sie in den Augen des Detective einen Ausdruck von Mutlosigkeit, der jedoch unter ihrem forschenden Blick gleich wieder verflog. Sie musste plötzlich denken: Wir sind beide sehr jung.
Doch sie sagte nur: »Das muss schwer sein.«
Robinson zuckte mit den Achseln und schüttelte mit einer trockenen Miene den Kopf.
»Man gewöhnt sich dran«, erwiderte er in einem Ton, der ihr verriet, dass er nicht einmal ansatzweise die Wahrheit sprach. Und dass er sich dessen bewusst war.
Der Detective und die Staatsanwältin begaben sich nach draußen. Espy Martinez hatte das Gefühl, als hätte sich die Dunkelheit ein wenig gelichtet, und ein Blick auf ihre Armbanduhr bestätigte, dass es bald Morgen war. Sie sah eine Gruppe älterer Menschen auf einer Seite des Hofs zusammenstehen, und Walter Robinson kam ihrer Frage zuvor.
»Das sind die Leute, die hier wohnen. Der alte Mann, der den Täter auf dem Weg hinterm Haus weglaufen sah, heißt Kadosh. Seine Frau hat den Notruf verständigt. Der große Mann ist Winter. Er hat Mrs.Millstein am Abend nach Hause begleitet und ihre Schlösser überprüft. Der Wohnungseigentümer heißt Gonzales, ist noch nicht da, aber schon unterwegs. Und wissen Sie, was das Tragischste ist? Eine der Nachbarinnen hat mir erzählt, dass er in der Hälfte aller Wohnungen bereits neue Schlösser angebracht hatte und an diesem Wochenende wiederkommen wollte, um sich die von Mrs.Millstein vorzunehmen. Ich glaube zwar nicht, dass es einen großen Unterschied gemacht hätte, aber man weiß nie. Das wird morgen in sämtlichen Zeitungen stehen.«
Walter Robinson deutete auf die Gruppe Reporter und Kameraleute. Zum Zeichen, dass er auf dem Weg zu ihnen war, winkte er ihnen knapp zu.
In verhaltenem Ton teilte er Espy Martinez mit: »Also, was wir vorerst für uns behalten, ist die Sache mit der Goldkette, auf der ihr Name eingraviert ist, und wir sagen auch nichts von dem Abdruck, den der Kriminaltechniker von ihrem Hals genommen hat, zumindest, bis wir überprüft haben, ob es beim Abgleich einen Treffer gibt.«
Als Robinson den Kopf hob, sah er zwei Kollegen und mehrere Streifenpolizisten um die Ecke des Sunshine Arms kommen.
Einer der Kriminalbeamten winkte ihnen beiden zu. Aus mehreren Metern Entfernung rief er: »Hey, Walter, du hast ins Schwarze getroffen.«
Robinson machte den Kollegen mit Espy Martinez bekannt und fragte dann: »In der Gasse hinterm Zaun?«
»Genau. In einem Müllcontainer. Wir haben Fotos gemacht, der Typ vom Labor hat’s eingetütet. Gut möglich, dass wir einen Trumpf in der Hand haben; ich meine, ich hätte an einer Ecke ein bisschen Blut gesehen.«
»Was ist es denn?«, wollte Espy Martinez wissen.
»Ein Schmuckkästchen aus Messing«, antwortete Robinson. »Auch davon vorerst nichts an die Presse, einverstanden?«
»Kein Problem. Mir wär’s ohnehin lieber, Sie würden das übernehmen.«
Robinson nickte. »In Ordnung. Gehen wir.« Er grinste wieder und riss einen Witz: »Hey, wird schon nicht schlimmer sein als beim Zahnarzt.«
Nur für eine Sekunde berührte er ihren Ellbogen, dann traten sie zusammen in das grelle Licht der Fernsehkameras.
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5
Jäger und Gejagte
S imon Winter saß, einen Finger zögernd über den Tasten seines Telefons, in seiner Wohnung. Obwohl
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