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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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über dies und jenes, stimmt’s?«
    Winter antwortete nicht.
    »Das haben Sie doch gedacht, nicht wahr?«
    Er nickte bedächtig.
    »Nun ja«, sagte sie zögernd, »Sie lagen vollkommen falsch.« Jetzt sah die Frau ihn mit einem strengen Ausdruck an. »Ganz und gar falsch, verflucht noch mal.«
    An dieser Stelle wischte sich die junge Frau selbst die Tränen aus den Augen. Winter sah, wie sie tief Luft holen musste.
    »Das war nur die erste Aufnahme, wissen Sie. Der Anfang. Um das Eis zu brechen sozusagen. Wir hatten uns große Hoffnungen gemacht. Doch Ihrer Nachbarin war es nur noch vergönnt, ein einziges weiteres Band mit uns zu machen, bevor sie …«
    Sie verstummte abrupt.
    »Verdammt«, fluchte sie. »Ermordet wurde, Gottverdammt.«
    Simon Winter schwieg.
    »Welche Ungerechtigkeit! In was für einer Welt leben wir eigentlich, Mr.Winter? Gibt es keine Gerechtigkeit mehr?«
    Winter antwortete nicht. Was soll man darauf sagen?, dachte er. Sie hat vollkommen recht.
    »Hat sie viel über die Jahre in Berlin vor der Deportation gesprochen?«
    Die junge Frau blickte auf ein Blatt mit irgendwelchen Notizen. Als sie den Kopf wieder hob, registrierte Simon Winter, wie ihr Blick auf seinen Unterarm fiel. Ihm war klar, dass sie nach einer Tätowierung suchte.
    »Was genau führt Sie eigentlich her? Sie sind kein Überlebender, nicht wahr, Mr.Winter?«
    »Nein«, erwiderte er übereilt und wurde sich im selben Moment bewusst, dass die Antwort nicht ganz der Wahrheit entsprach. »Ich war einmal bei der Polizei.«
    »Weshalb interessieren Sie sich jetzt für Sophies Geschichte?«
    »Weil sie etwas gesagt hat. Kurz vor ihrer Ermordung. Über den Mann, der sie ausgeliefert hatte.«
    »U-Boote«, sagte Weiss.
    »Wie bitte?«
    »U-Boote. Das war eine der Bezeichnungen für die Menschen, die versuchten, sich in den Großstädten zu verstecken. Weil sie untertauchten. Es war ein äußerst schwieriges Leben. Ich kann Ihnen ein paar Bücher darüber geben, was diese Leute auf sich genommen haben. Wirklich bemerkenswert. Sich mitten in einem Polizeistaat zu verstecken, der sich ihrer Vernichtung verschrieben hat. Ich glaube, dass es in der Geschichte wenig Menschen gibt, die so viel Findigkeit, Einfallsreichtum, Tapferkeit und wer weiß was sonst noch an den Tag gelegt haben. Das waren außergewöhnliche Menschen, und nur so wenige von ihnen haben den Krieg überlebt und können ihre Geschichte erzählen. Deshalb waren wir alle so fasziniert, als Sophie zu uns kam und mit den Aufnahmen begann. Ich glaube, dass wir heute den Mut, den diese Menschen aufbrachten, ohne diese unmittelbaren Zeugnisse überhaupt nicht nachvollziehen können. Wie haben sie gelebt? Sie haben gehungert. Sie waren ständig in Angst. Tag und Nacht. Sie konnten sich niemals länger als ein paar Tage am selben Ort aufhalten. Sie mussten immer weiter flüchten. Und sich an Orten aufhalten, an denen sie nicht auffallen würden. Womöglich bestachen sie die Leute. Meistens mit Schmuck. Falls sie Goldmünzen besaßen, umso besser. Manchmal konnten sie sogar die Greifer bestechen und ihr Leiden damit vielleicht um ein paar Tage verlängern, bevor sie dann doch geschnappt und in den Tod geschickt wurden.«
    »Das habe ich mir kürzlich erklären lassen.«
    »Mit wem haben Sie gesprochen?«
    »Rabbi Chaim Rubinstein. Einer Mrs.Kroner und einem Mr.Silver.«
    »Die kenne ich. Sie waren U-Boote wie Sophie.«
    Die junge Frau zögerte, dann schüttelte sie den Kopf. »Und dann diese Juden, die von der Gestapo eingesetzt wurden, um andere Juden zu jagen. In einer Gesellschaft, die Ironie und Verrat in gleichem Ausmaß hervorbrachte, waren sie vielleicht … ich weiß nicht – was? Moralisch abnorm.«
    Sie schwieg, und Winter holte scharf Luft. Er sah, wie sie zum Fenster blickte und dem Lichtstrahl folgte, der in den Raum stach.
    »Was meinen Sie? Kommt ein solcher Mensch in einen speziellen Höllenkreis, Mr.Winter?«
    Er beantwortete die Frage nicht, obwohl er sie berechtigt fand. Stattdessen setzte er selbst zu einer Frage an: »Hat sie je beschrieben …«
    »Das ist ein unglaublich wichtiges Thema, Mr.Winter. Eine Art moralischer Kannibalismus. Sein eigenes Volk an diese Ungeheuer zu verraten, um die eigene Haut zu retten. Über die Jahre hatten wir hier im Center übrigens schon eine Reihe bedeutender Forscher, die wegen unserer Videos kamen.«
    Esther Weiss sah Simon Winter an.
    »Sie hat noch eins mit uns gedreht. Ich hole es.«
    Die junge Frau trat an einen

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