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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher
Autoren: Jeffery Deaver
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angemessen würdevollen Gehweg des Campus von Hyde Park, Illinois.
    Wie hatte es nur hierzu kommen können? Ein Zeuge und all die Beweise. . Das ergab keinen Sinn.
    »Gehen Sie auf das Angebot ein, Mr. Rhyme«, hatte der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt gesagt. »Ich würde Ihnen sehr dazu raten.«
    Ebenso sein Verteidiger. »Ich weiß, was möglich ist, Art. Als 38
    würde ich eine hübsche Kristallkugel besitzen. Ich kann Ihnen exakt vorhersagen, was am Ende dieser Verhandlung steht - und es ist nicht die Nadel. Albany kriegt ums Verrecken kein Gesetz über die Einführung der Todesstrafe hin. Tut mir leid, schlechter Witz. Dennoch drohen Ihnen fünfundzwanzig Jahre. Ich kann fünfzehn für Sie herausholen. Greifen Sie zu.« »Aber ich hab es nicht getan.«
    »Ja, ja. Das interessiert genau genommen niemanden so richtig, Arthur.« »Aber ich bin es nicht gewesen.« »Okay.«
    »Hören Sie, ich werde mich auf keine Absprache einlassen. Die Geschworenen werden mir glauben. Sie werden mich sehen. Sie werden erkennen, dass ich kein Mörder bin.«
    Stille. Dann: »Gut.« Obwohl es überhaupt nicht gut war. Der Anwalt war eindeutig sauer, trotz der rund sechshundert Dollar, die er pro Stunde berechnete - und nebenbei, wo sollte all das Geld eigentlich herkommen? Er...

    Dann registrierte Arthur plötzlich, dass zwei der Häftlinge ihn prüfend ansahen.
    Latinos. Ihre Mienen blieben reglos, waren weder freundlich noch herausfordernd oder aggressiv. Sie schienen neugierig zu sein.
    Als sie auf ihn zukamen, überlegte er, ob er aufstehen oder sitzen bleiben sollte.
    Bleib sitzen.
    Aber schau nach unten.
    Er senkte den Kopf. Einer der Männer stel te sich vor ihn hin; seine abgenutzten Joggingschuhe tauchten in Arthurs Sichtfeld auf.
    Der andere ging hinter ihn.
    Er würde sterben. Arthur Rhyme wusste es. Beeilt euch, und macht dem Elend ein Ende.
    »Yo«, sagte der Mann hinter ihm mit hoher Stimme.
    Arthur blickte zu dem anderen auf, der vor ihm stand. Der Mann hatte blutunterlaufene Augen, schlechte Zähne und trug einen großen Ohrring. Arthur bekam kein Wort heraus.
    »Yo«, wiederholte die Stimme.
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    Arthur schluckte. Er wollte nicht, aber er konnte nicht anders.
    »He, wir reden mit dir, mein Kumpel und ich. Hast du keine Manieren? Bist du ein Arschloch?«
    »Verzeihung. Ich konnte bloß... Hallo.«
    »Yo. Was arbeitest du, Mann?«, fragte Hohe Stimme seinen Rücken.
    »Ich bin.. « Er hielt inne. Was soll ich sagen? »Ich bin Wissenschaftler.«
    Ohrringmann: »Scheiße. Wissenschaftler? Was machst du? Raketen bauen und so?« Sie lachten beide. »Nein, medizinische Geräte.«
    »Wie diese Dinger, du weißt schon, wo die immer >Achtung< rufen und dir einen Stromschlag verpassen? Bei Emergency Room und so?«
    »Nein, es ist kompliziert.«
    Ohrringmann runzelte die Stirn.
    »So hab ich das nicht gemeint«, versicherte Arthur hastig. »Es ist nicht so, dass ihr das nicht verstehen könntet. Es lässt sich bloß schwer erklären. Systeme zur Qualitätskontrolle einer Dialyse. Und...«
    Hohe Stimme: »Verdienst gutes Geld, was? Hab gehört, du hattest einen hübschen Anzug an, als man dich eingebuchtet hat.« »Keine Ahnung. Ich hab ihn bei Nordstrom gekauft.« »Nordstrom. Scheiße, was ist Nordstrom?« »Ein Laden.«
    Arthur sah wieder nach unten auf Ohrringmanns Schuhe. »Gutes Geld, ja?«, fragte der Häftling. »Wie viel verdienst du?« »Ich...«
    »Willst du behaupten, du weißt es nicht?«
    »Ich...« Ja, wollte er.
    »Wie viel verdienst du?«
    »Ich weiß. . Knapp sechsstellig, schätze ich.«
    »Scheiße.«

    Arthur war ratlos: Hielten die beiden den Betrag nun für hoch oder für niedrig? Dann lachte Hohe Stimme. »Hast du Familie?«
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    »Dazu werde ich mich nicht äußern.« Das klang trotzig. »Hast du Familie?«
    Arthur Rhyme richtete den Blick auf eine nahe Wand, wo ein Nagel aus dem Mörtel einer Fuge ragte. Vermutlich hatte einst ein Schild daran gehangen, das schon vor vielen Jahren abgenommen oder gestohlen worden war. »Lasst mich in Ruhe. Ich will nicht mit euch reden.« Er versuchte, möglichst entschieden zu klingen. Aber er hörte sich an wie ein Mädchen, das ausgerechnet vom Klassenstreber zum Tanz aufgefordert wird.
    »Wir bemühen uns hier um ein höfliches Gespräch, Mann.«
    Hat er das tatsächlich gesagt? Höfliches Gespräch?
    Dann dachte Arthur: Was soll's, vielleicht wollen sie ja wirklich nur freundlich sein.
    Womöglich kann ich mich mit ihnen anfreunden, damit sie auf mich
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