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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher
Autoren: Jeffery Deaver
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den anderen Insassen, die hier auf ihren Prozess warteten. Nein, er war weder ausgesprochen muskulös noch tätowiert oder kahl geschoren oder dämlich oder schwarz oder ein Latino. Die Art von Kriminellen, denen Arthur äußerlich ähnelte -
    Geschäftsleute, denen Wirtschaftsvergehen zur Last gelegt wurden -, saßen nicht bis zur Verhandlung im Tombs ein, sondern waren auf Kaution draußen. Was für Sünden sie auch immer begangen haben mochten, keine davon war so schwerwiegend, dass man für eine vorläufige Freilassung der Täter eine Sicherheitsleistung von zwei Millionen Dollar verlangt hätte - wie in Arthurs Fall.
    Aus diesem Grund war das Tombs seit dem 13. Mai sein Zuhause und hatte ihm den bisher längsten und schlimmsten Zeitabschnitt seines Lebens beschert.
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    Und den verwirrendsten.
    Arthur war der Frau, die er angeblich getötet haben sollte, vielleicht mal begegnet, aber er konnte sich nicht an sie erinnern. Ja, er hatte die Galerie in SoHo besucht, in der auch sie sich offenbar umgesehen hatte, doch von einem Gespräch wusste er nichts.
    Und ja, er liebte Harvey Prescotts Arbeiten und hatte sehr darunter gelitten, dass er nach dem Verlust seiner Anstellung gezwungen gewesen war, sein Gemälde zu verkaufen. Aber eines stehlen? Jemanden umbringen? Waren die denn völlig verrückt geworden? Sehe ich etwa wie ein Mörder aus?
    Das alles war ihm ein großes Rätsel - wie Fermats Theorem, die mathematische Vermutung, die Arthur sogar nach einer Erklärung immer noch nicht begriffen hatte.
    Das Blut der Frau in seinem Wagen? Das hatte jemand dort platziert, keine Frage.
    Womöglich sogar die Polizei selbst.
    Nach zehn Tagen im Tombs kommt einem O. J. Simpsons Verteidigung nicht mehr ganz so sehr wie eine Episode von Twilight Zone vor.
    Warum, warum, warum? Wer steckte dahinter? Er dachte an seine wütenden Briefe aus der Zeit, als Princeton ihn übergangen hatte. Manche davon waren dumme und kleinliche Drohbriefe gewesen. Na ja, es gab unter Akademikern eine ganze Reihe labiler Persönlichkeiten. Vielleicht wollte man sich an ihm rächen, weil er so viel Stunk gemacht hatte. Und dann war da noch diese Studentin gewesen, die sich ihm an den Hals geworfen hatte. Er hatte ihr gesagt, nein, er wolle kein Verhältnis mit ihr anfangen. Sie war völlig ausgerastet.
    Wie in Eine verhängnisvol e Affäre. .
    Die Polizei hatte sie überprüft und beschlossen, dass sie nichts mit dem Mord zu tun hatte. Wie sehr hatten die Beamten sich wirklich angestrengt, um ihr Alibi zu durchleuchten?
    Er sah sich in dem großen Gemeinschaftsbereich um und musterte die vielen Dutzend Häftlinge in seiner Nähe. Anfangs hatte man ihn als eine Art Kuriosum betrachtet. Als sich herumsprach, er habe einen Mord begangen, schien sein Ansehen zunächst zu steigen, aber dann wurde bekannt, dass das Opfer ihn weder betrogen noch versucht hatte, seine Drogen zu stehlen
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    was zwei zulässige Gründe für den Mord an einer Frau gewesen wären.
    Damit war klar, dass es sich bei Arthur bloß um einen ganz gewöhnlichen Weißen handelte, der Mist gebaut hatte. Das Leben wurde hässlich.
    Man rempelte ihn an, verspottete ihn, nahm ihm die Milch weg -genau wie früher in der Schule. Die Sache mit dem Sex spielte noch keine Rolle. Nicht hier. Die Sträflinge hier saßen alle noch nicht lange hinter Gittern und konnten ihre Schwänze eine Weile in der Hose behalten. Doch ein paar seiner neuen »Freunde« hatten ihm bereits versichert, dass er sich seine Jungfräulichkeit nicht lange würde bewahren können, sobald man ihn erst einmal in ein Zuchthaus wie Attica verlegt hätte, vor allem nicht, falls er sich einen »Viertelpfünder« einfing - fünfundzwanzig Jahre bis lebenslänglich.
    Der verrückte Aquilla Sanchez hatte ihn bis jetzt viermal ins Gesicht geschlagen sowie zweimal angesprungen und zu Boden gerissen, um dann über ihm zu knien, halb auf Spanisch und halb auf Englisch herumzubrüllen und Arthur seinen Schweiß ins Gesicht tropfen zu lassen, bis ein paar gelangweilte Wärter ihn schließlich wieder wegzerrten.
    Zweimal hatte Arthur sich in die Hose gepinkelt, und ein Dutzend Mal hatte er sich übergeben. Er war ein Wurm, Abschaum, es nicht wert, gefickt zu werden.
    Jedenfalls bis auf Weiteres.
    Und so wie sein Herz raste, rechnete er jeden Moment mit einem Infarkt. Genau wie bei Henry Rhyme, seinem Vater, wenngleich der berühmte Professor natürlich nicht an einem schändlichen Ort wie dem Tombs gestorben war, sondern auf einem
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