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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher
Autoren: Jeffery Deaver
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aufpassen. Herrje, er brauchte jeden Freund, den er kriegen konnte. Würde er die Situation noch retten können? »Es tut mir leid. Das alles ist nur so seltsam für mich. Ich habe bis jetzt noch nie in irgendwelchen Schwierigkeiten gesteckt. Ich bin bloß...«
    »Was macht deine Frau? Ist sie auch Wissenschaftlerin? Hat sie was in der Birne?«
    »Ich.. « Seine Antwort löste sich in nichts auf.
    »Hat sie große Titten?«
    »Fickst du sie in den Arsch?«
    »Hör zu, du Wissenschaftswichser, es wird folgendermaßen laufen. Deine schlaue Frau hebt etwas Geld von der Bank ab. Zehntausend. Dann fährt sie damit zu meinem Cousin in die Bronx. Und. .«
    Die Tenorstimme erstarb.
    Ein schwarzer Häftling, knapp einen Meter neunzig groß, ein Berg aus Muskeln und Fett, kam mit hochgekrempelten Ärmeln auf das Trio zu. Er musterte die beiden Latinos und kniff wütend die Augen zusammen.
    »Yo, Chihuahuas. Verpisst euch von hier.«
    Arthur Rhyme war wie gelähmt. Er hätte sich nicht mal dann rühren können, falls jemand auf ihn geschossen hätte. Was ihn hier übrigens keineswegs gewundert hätte, trotz all der Metalldetektoren.
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    »Leck mich, Nigger«, sagte Ohrringmann.
    »Drecksack.« Das kam von Hohe Stimme und ließ den schwarzen Kerl auflachen, während er Ohrringmann einen Arm um die Schultern legte und ihn beiseite nahm, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Der Latino bekam große Augen und nickte seinem Kumpel zu. Dann zogen die beiden sich in eine entlegene Ecke des Gemeinschaftsbereiches zurück und taten beleidigt. Wenn Arthur nicht so viel Angst gehabt hätte, hätte er belustigt gelächelt - zwei Schulhofrüpel, die in die Schranken gewiesen wurden.

    Der schwarze Mann streckte sich, und Arthur hörte ein Gelenk knacken. Sein Herz pochte noch schneller. Ein halb ausformuliertes Stoßgebet schoss ihm durch den Kopf: Möge der Herzinfarkt bitte jetzt kommen, jetzt in diesem Moment.
    »Danke.«
    »Leck mich«, sagte der Schwarze. »Die beiden da sind Arschlöcher und müssen sich an die Regeln halten. Verstehst du, was ich meine?«
    Nein, nicht im Mindesten. Aber Arthur Rhyme sagte: »Trotzdem. Ich heiße Art.«
    »Ich kenn deinen Scheißnamen. Jeder hier weiß über alles Bescheid. Nur du nicht. Du weißt einen Scheißdreck.«
    Aber eines wusste Arthur Rhyme, und zwar mit absoluter Gewissheit: Er war tot.
    Daher sagte er: »Okay, dann verrat mir doch, wer zum Teufel du bist, du Penner.« Eine etwas offenkundigere Art, Selbstmord zu begehen, als lediglich mit seinem klopfenden Herzen zu reden.
    Das riesige Gesicht wandte sich ihm zu. Er roch Schweiß und Zigarettenrauch. Arthur dachte an seine Familie, zuerst an die Kinder und dann an Judy. An seine Eltern, erst die Mutter, dann den Vater. Dann dachte er überraschenderweise an seinen Cousin Lincoln. An ein Wettrennen, das sie sich als Teenager eines heißen Sommertages auf einem Feld in Illinois geliefert hatten.
    Wer als Erster bei der Eiche ist. Siehst du sie? Die dahinten. Auf drei. Fertig? Eins... zwei...
    drei... los!«
    Der Mann wandte sich ab und ging quer durch den Saal zu einem anderen schwarzen Häftling. Die Fäuste der Männer berührten sich zum Gruß, und Arthur Rhyme war vergessen.
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    Er saß da, beobachtete die beiden Kumpane und kam sich immer einsamer und verzweifelter vor. Dann schloss er die Augen und ließ den Kopf hängen. Arthur Rhyme war Wissenschaftler. Er glaubte, dass das Leben sich durch den Prozess der natürlichen Auslese weiterentwickelte; göttliche Gerechtigkeit spielte dabei keine Rolle.
    Nun jedoch, inmitten einer gnadenlosen Depression, fragte er sich unwillkürlich, ob es wohl eine Art übergeordnete Vergeltung gab, so real und unsichtbar wie die Gravitation, und ob er soeben am eigenen Leib erfuhr, wie es war, für all die Verfehlungen seines Lebens bestraft zu werden. Oh, er hatte viel Gutes getan. Hatte Kinder großgezogen, sie Aufgeschlossenheit und Toleranz gelehrt, war seiner Frau ein guter Gefährte gewesen, auch während ihrer Krebserkrankung, und hatte einen Beitrag auf dem großen Gebiet der Wissenschaft geleistet, durch den die Welt ein wenig besser geworden war.
    Dennoch gab es auch Schlechtes. Wie bei jedem Menschen.
    Und nun saß er hier in seinem stinkenden orangefarbenen Overall und versuchte, sich an die Hoffnung zu klammern, dass es ihm mittels der richtigen Gedanken und Vorsätze - und durch Vertrauen zu dem System, das er pflichtgetreu an jedem Wahltag unterstützte - gelingen würde, sich zurück in
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