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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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schien nicht im Mindesten überrascht oder beunruhigt zu sein, die Polizei im 79
    Haus zu haben, und beschrieb Sachs bereitwillig die Lage des gesuchten Zimmers.
    Dann deutete er auf die Tür des Aufzugs. Als Sachs sie öffnete, wehte ihr aus der Kabine ein fauliger Gestank entgegen. Also gut, die Treppe.
    Die Anstrengung ließ den Schmerz in ihren arthritischen Gelenken auflodern.
    Schließlich erreichte Amelia den fünften Stock und fand Zimmer 672. Sie klopfte an die Tür und wich zur Seite. »Polizei. Mr. Jorgensen? Bitte machen Sie auf.« Sie wusste nicht, welche Verbindung zwischen diesem Mann und dem Täter bestand, und daher behielt sie die Hand in der Nähe ihrer Glock, einer erstklassigen und überaus verlässlichen Waffe.
    Niemand sagte etwas, aber Sachs glaubte zu hören, dass der Metalldeckel des Gucklochs sich bewegte.
    »Polizei«, wiederholte sie.
    »Schieben Sie Ihren Dienstausweis unter der Tür durch.« Sie folgte der Aufforderung.
    Es dauerte einen Moment, dann wurden mehrere Ketten zurückgeschoben. Und ein Riegel. Die Tür öffnete sich einen Spalt, wurde aber immer noch durch einen Sperrriegel gesichert. Die Lücke war größer als bei einer Kette, aber nicht groß genug, dass jemand hindurchgepasst hätte.
    Der Kopf eines Mannes mittleren Alters wurde sichtbar. Er hatte langes, ungewaschenes Haar und einen struppigen Bart. Seine Augen zuckten beständig.
    »Sie sind Robert Jorgensen?«
    Er sah ihr forschend ins Gesicht, dann wieder auf ihren Ausweis, drehte ihn um und hielt ihn gegen das Licht, obwohl das in Plastik eingeschweißte Rechteck undurchsichtig war. Endlich gab er ihr die Kennkarte zurück und öffnete den Sperrriegel. Die Tür schwang auf. Er warf einen Blick auf den Korridor hinter Sachs und winkte sie hinein. Amelia trat zögernd vor, mit der Hand weiterhin am Griff der Pistole, und überprüfte das Zimmer und die Schränke. Es hielt sich niemand sonst hier auf, und der Mann war unbewaffnet. »Sie sind Robert Jorgensen?«, wiederholte sie.
    Er nickte.
    Dann sah sie sich die traurige Behausung etwas genauer an. Das Zimmer enthielt ein Bett, einen Schreibtisch mit Stuhl, einen Ses
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    sei und eine verschlissene Couch. Der dunkelgraue Teppich wies zahllose Flecke auf.
    Eine einzelne Stehlampe verbreitete trübes gelbes Licht, und die Rouleaus waren heruntergezogen. Wie es aussah, lebte Jorgensen aus vier großen Koffern und einer Sporttasche. Es gab hier zwar keine Kochnische, aber einen winzigen Kühlschrank und zwei Mikrowellengeräte. Und eine Kaffeekanne. Die Nahrung des Mannes bestand vorwiegend aus Suppen und Instantnudeln. Vor der Wand waren ungefähr hundert Schnellhefter aufgereiht.
    Jorgensens Kleidung stammte aus einem anderen, besseren Abschnitt seines Lebens.
    Sie wirkte teuer, war aber abgenutzt und befleckt. Die Absätze der einst eleganten Schuhe waren schief. Sachs vermutete, dass der Mann infolge eines Drogen- oder Alkoholproblems seine Approbation verloren hatte.
    Im Augenblick widmete er sich einer seltsamen Tätigkeit: Er sezierte ein großes gebundenes Lehrbuch. An der Schreibtischplatte war mit einem Klemmfuß der Schwanenhals einer beschädigten Lupe befestigt, und Jorgensen hatte Seiten aus dem Buch getrennt, um sie in Streifen zu schneiden.
    Womöglich hatte ja eine Geisteskrankheit seinen Niedergang bewirkt.
    »Sie sind wegen der Briefe hier? Das wird auch Zeit.« »Briefe?«
    Er beäugte sie argwöhnisch. »Etwa nicht?«
    »Ich weiß nichts von irgendwelchen Briefen.«
    »Ich habe sie nach Washington geschickt. Aber ihr redet doch, oder? All ihr Gesetzeshüter. Ihr Leute von der öf entlichen Sicherheit. Natürlich tut ihr das. Ihr müsst, jeder redet. Die Verbrecherdatenbanken und all das Zeug. .«
    »Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen.«
    Er schien ihr zu glauben. »Nun, dann.. « Seine Augen wurden groß. Sie starrten Amelias Hüfte an. »Warten Sie, ist Ihr Mobiltelefon etwa eingeschaltet?«
    »Äh, ja.«
    »Herr im Himmel! Sind Sie bescheuert?« »Ich. .«
    »Wieso rennen Sie nicht gleich nackt die Straße entlang und
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    verraten jedem Fremden, der Ihnen begegnet, Ihre Adresse? Nehmen Sie den Akku raus. Nicht bloß ausschalten. Die Batterie!« »Das werde ich nicht.«
    »Nehmen Sie ihn raus. Oder Sie können sofort von hier verschwinden. Für Ihren PDA gilt das Gleiche. Und für Ihren Pager.«
    Das schien eine verfahrene Situation zu sein. »Meinen Organizer werde ich nicht löschen«, verkündete Sachs mit fester Stimme. »Bei Telefon und

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