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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Plastiktüten; wiederverschließbare Gefrierbeutel, 4 Liter.

    • Ein rechter Joggingschuh, Marke Sure-Track, Größe 13; eingetrocknetes Bier an der Sohle (vermutlich Marke Miller). Keine weiteren Partikel feststellbar. Gekauft, um Abdruck am Tatort zu hinterlassen?
    • Papierhandtuch mit Blut in Plastiktüte. Vorläufiger Test ergibt Übereinstimmung mit Blut des Opfers.
    • 2 cm3 Blut in Plastiktüte. Vorläufiger Test ergibt Übereinstimmung mit Blut des Opfers.
    • Post-it mit Adresse der Henderson House Residence, Zimmer 672, bewohnt von Robert Jorgensen. Zettel und Stift nicht zurückverfolgbar. Papier enthält Sporen von Schimmelpilz Stachybotrys Chartarum.
    • Foto von Opfer, offenbar Computerausdruck, farbig. Lasertoner Marke Hewlett-Packard; nicht zurückverfolgbar, ebenso wie Papier. Papier enthält Sporen von Schimmelpilz Stachybotrys Chartarum.
    • Isolierband, Hausmarke von Home Depot; nicht zu einer bestimmten Filiale zurückverfolgbar.
    • Keine Fingerabdrücke.
    Es klingelte an der Tür, und gleich darauf eilte Ron Pulaski herein. Er trug zwei Plastikkisten voller Beweismitteltüten, in denen die Spuren vom Schauplatz des Mordes an Myra Weinburg steckten.
    Rhyme bemerkte sofort, dass die Miene des jungen Mannes sich verändert hatte und reglos wirkte. Pulaski schaute häufig verkniffen oder verblüfft drein, sah gelegentlich stolz aus und wurde sogar rot, aber nun schien sein Blick leer zu sein und keineswegs mehr so entschlossen wie zuvor. Er nickte Rhyme zu, ging zu den Untersuchungstischen, übergab die Beweismittel an Cooper und ließ die zugehörigen Registrierkarten von ihm unterzeichnen.
    Der Neuling wich zurück und betrachtete die Tabelle, die Thom soeben angelegt hatte.
    Er hatte die Hände in den Taschen seiner
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    Jeans, das Hawaiihemd hing ihm über die Hose, und er las kein einziges Wort.
    »Alles in Ordnung, Pulaski?«
    »Sicher.«
    »So sehen Sie aber nicht aus«, sagte Sellitto. »Ach, es ist nichts.«
    Aber das stimmte nicht. Irgendetwas bei der Untersuchung seines ersten eigenen Mordschauplatzes hatte ihn aus der Fassung gebracht.
    »Sie lag einfach da«, sagte er schließlich. »Mit dem Gesicht nach oben und starrte an die Decke. Als wäre sie noch am Leben und würde nach etwas Ausschau halten, stirnrunzelnd, irgendwie neugierig, Sie wissen schon. Ich schätze, ich hatte damit gerechnet, sie würde zugedeckt sein.«
    »Tja, nun, Sie wissen doch, dass wir das nicht machen«, warf Sellitto ein.
    Pulaski sah aus dem Fenster. »Es ist nur. . okay, das klingt verrückt. Es ist nur, dass sie ein bisschen wie Jenny ausgesehen hat.« Seine Frau. »Echt unheimlich.«
    Lincoln Rhyme und Amelia Sachs stimmten im Hinblick auf ihre Arbeit weitgehend überein. Sie waren der Ansicht, dass man sich bei der Untersuchung von Tatorten in den Täter versetzen musste, damit man nachvollziehen konnte, was zwischen ihm und dem Opfer abgelaufen war. Dadurch konnte man den Schauplatz besser verstehen und Spuren finden, die einem andernfalls womöglich entgangen wären.
    Nur wer diese Fähigkeit besaß, so qualvoll ihre Konsequenzen auch sein mochten, brachte es beim Abschreiten des Gitternetzes zu wahrer Meisterschaft.
    In einem wichtigen Punkt blieben Rhyme und Sachs jedoch unterschiedlicher Meinung. Sachs glaubte, dass man angesichts der vielen schrecklichen Verbrechen dennoch nicht abstumpfen durfte. Man musste die eigenen Gefühle sowohl vor als auch nach der Untersuchung eines jeden Tatorts immer wieder von Neuem zulassen.
    Falls man das nicht tat, sagte sie, verhärtete sich das eigene Herz und man rückte der Finsternis im Innern jener Menschen näher, die man verfolgte. Rhyme hingegen war überzeugt,
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    dass man so leidenschaftslos wie möglich arbeiten sollte. Nur indem man die Tragödie kalt außer Acht ließ, wurde man zum bestmöglichen Polizisten - und konnte dadurch wirksamer verhindern, dass zukünftige Tragödien sich überhaupt erst ereignen würden. (»Das ist kein menschlicher Körper mehr«, hatte er seinen neuen Mitarbeitern eingeschärft. »Es ist eine Spurenquelle. Und zwar eine verdammt gute.«) Pulaski besaß das Potenzial, mehr wie Rhyme zu sein, glaubte der Kriminalist, aber in diesem frühen Stadium seiner Laufbahn gehörte er noch Amelia Sachs' Lager an. Und bei allem Mitgefühl für den jungen Mann hatten sie hier einen Fall zu lösen. Heute Abend würde Pulaski zu Hause seine Frau fest an sich drücken und still den Tod des Opfers betrauern können, dem sie

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