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Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Titel: Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Halperin
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ist nicht meine Schwester«, schnaubte er lachend. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und lachte noch mehr. »Nicht meine Schwester«, sagte er noch mal. Er drückte einen Knopf unter seinem Schreibtisch, und es klickte laut am Drehkreuz. »Die Telefonnummer steht auf meiner Karte«, sagte er. »Ruf mich an. Wir verabreden was.«
    »Danke«, sagte ich. Ich wollte die Karte schon in meine Tasche stecken, doch dann legte ich sie ihm wieder auf den Tisch. Diese Karte hatte etwas Gefährliches an sich. Vielleicht lag es an diesen Augen, von denen ich hoffte, dass ich sie früher oder später vergessen würde. Wenn ich die Karte mitnähme, würde es mein Leben verändern, und zwar auf eine Art und Weise, die ich weder abschätzen noch rückgängig machen konnte, wenn es einmal geschehen war. »Okay, bis bald mal.«
    »Hey, warte, warte …«
    Ich rannte hinaus. Es waren nur wenige Schritte vom Eingang des Archivs Seltener Bücher zum Fahrstuhl. Ich hörte, wie er mich rief; ich hatte das Gefühl, dass mir irgendwas fehlte. Ich wollte so dringend weg, dass ich mir nicht die Zeit nahm, darüber nachzudenken, was es sein mochte. Ich stürzte
in den Fahrstuhl und drückte den Knopf, auf dem »E« stand. Ich fuhr abwärts, abwärts, abwärts. Aus dem Fahrstuhl rannte ich in den Zeitschriftenraum.
    Und fand niemanden mehr vor.

KAPITEL 5
    Der Raum war leer. Eine verlassene Höhle.
    Kein Jeff, keine Rosa. Keine ungepflegten alten Männer an den langen braunen Tischen, die Tageszeitungen lasen. Die Neonröhren an der Decke leuchteten wie immer. Doch die Mikrofilmgeräte standen dunkel und verlassen da. Mäntel, Notizbücher, Füllfederhalter – alles weg. Die Stühle standen ordentlich neben den Tischen, die Zeitungen hingen wieder an ihren Haken. Weit und breit kein Bibliothekar.
    Erst dachte ich, meine Uhr sei stehen geblieben. Seit Stunden hatte ich kein Tageslicht mehr gesehen. Offenbar war es schon nach fünf. Die Bibliothek hatte geschlossen. Draußen war es kalt und dunkel. Der letzte Bus nach Kellerfield war ohne mich gefahren.
    Doch die Uhr an der Wand zeigte 15:35 Uhr, und der Sekundenzeiger drehte auf dem Zifferblatt unermüdlich seine Runden.
    Ich trat an den langen, geschwungenen Tresen. BITTE LÄUTEN, WENN SIE HILFE BRAUCHEN, stand auf einem handgeschriebenen Schild. Ich betätigte die Glocke und lauschte ihrem Hall im leeren Raum. Ich wartete. Niemand kam.
    Ich läutete noch einmal, wartete. Meine Finger tasteten nach dem Delta-Sender. Ich zwang mich, meine Hand aus der Tasche zu ziehen und wieder auf den Tresen zu legen.
Noch war es nicht so weit. Da stürzte nichts vom Himmel auf mich herab. Noch nicht.
    Ein oder zwei Minuten lang läutete ich immer wieder die Glocke. Als ich das Läuten nicht mehr aushalten konnte, lief ich hinaus, den verschlungenen Korridor entlang, die Treppe hinauf. Dann noch eine Treppe. Alles war hübsch ordentlich. Still. Leer.
    Keine Bibliothekare … keine Besucher, Leseratten, Büchernarren … kein Wachmann am Hauptausgang, der alle Mappen und Taschen durchsuchte. Die Nachmittagssonne schien durch die Fenster der hohen Lesesäle auf die Teppiche am Boden. Auf die Rücken schweigsamer Buchreihen, deren goldene Lettern glänzten.
    Oh, mein Gott. Es geht los.
    UFO-Invasion? Atomkrieg? Die Raketen – die letzten Oktober hätten fliegen sollen –, waren sie unterwegs?
    »Jeff«, sagte ich leise. Dann lauter: »Kazik! Kazik!« Und schon hatte ich den Delta-Sender gezückt und drückte fest zu. Die Lötstellen brachen. Die Drähte, die in den kleinen Blechkasten gezwängt waren, fielen mir in die Hand.
    Ich starrte sie an. Ich versuchte, alles wieder hineinzustopfen, um das Gerät so lange zusammenzuhalten, dass ich ein Signal senden konnte. Ich schnitt mir den Daumen an der Blechkante auf, und das Gewirr von Drähten quoll heraus, wollte sich nicht wieder hineinzwängen lassen. Der Sender war hinüber, endgültig kaputt, nutzlos wie ein Teddybär bei Blitz und Donner. Ich warf das Ding irgendwo zwischen die langen Tische und rannte los.
    Am Fahrstuhl drückte ich den »Aufwärts«-Knopf. Der Pfeil über der Tür kroch langsam voran, ruckte über den Halbkreis aus goldenen Ziffern. Wenn der Fahrstuhl nicht bald käme, würde ich verrückt werden.

     
    Julian Arcturus Margulies saß an seinem Tisch und schien nicht überrascht, mich zu sehen.
    »Das ist das Bemerkenswerte an seltenen Büchern, nicht?«, sagte er. »Ist man ihrem Zauber erst erlegen, kann man nicht mehr

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