Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel
…«
»Julian.«
»Mh- hmmmm?«, machte er einen Moment später aufmunternd.
»Julian, also … ist ein Inkunabulus nicht … ich meine … ist das nicht … ist das nicht …? Na, du weißt doch, was ich meine.«
»Nein, ich weiß nicht, was du meinst. Keine Ahnung. Warum gibst du mir nicht einen kleinen Tipp?«
»Ich meine … ich dachte, Inkunabeln sind Dämonen oder Geister oder so was in der Art. Etwa nicht? Die sich zu Menschen ins Bett legen, die allein schlafen, und … ich meine … und …«
»Sie ficken ? Sie bumsen? Sie vögeln? Sie ergeben sich der Fleischeslust?«
»Also … ja!«
»Ich ahne, worauf du hinauswillst«, sagte Julian. »Um deine
ursprüngliche Frage zu beantworten: Ja, davon haben wir hundertsiebenundvierzig Stück im Archiv Seltener Bücher. Im Aktenschrank hinter dem Schreibtisch des Bibliothekars. Wir geben sie über Nacht an unsere triebgesteuerten Stammkunden aus. Ein Service der öffentlichen Bibliothek Philadelphia.«
»Im Ernst, Julian!«
»Im Ernst, Shapiro … dein Problem ist, dass du nur Sex im Kopf hast. Eine Inkunabel ist ein Buch, das vor dem Jahr 1500 gedruckt wurde. Du meinst einen Inkubus. Oder eigentlich einen Sukkubus. Wahrscheinlich viel eher einen Sukkubus als einen Inkubus.«
»Wo ist der Unterschied?«
»Ein Inkubus, verehrter Herr, ist ein männlicher Dämon, der Frauen, die für seine Aufmerksamkeit empfänglich sind, bumst, vögelt und dergleichen. Der Sukkubus ist weiblich und tut Obiges mit irgendeinem männlichen Glückspilz. Oder einem pubertierenden Glückspilz. Besonders wenn er auf dem Rücken liegt. Schlaf im Sukkubus-Revier auf dem Rücken, mein Freund, und du forderst den Ärger förmlich heraus.«
Ich brauchte ein paar Sekunden, um das zu verdauen.
»Julian«, sagte ich schließlich. »Erinnerst du dich an Antonio Villas Boas?«
Villas Boas war ein brasilianischer Bauer, der ein paar Jahre zuvor von einem UFO mit einer Weltraumfrau an Bord entführt worden war. »Ob ich mich an ihn erinnere?«, sagte Julian. »Wie könnte man diese Weltraumfrau je vergessen?«
»War sie vielleicht auch so was wie ein … Sukkubus?«
»Interessanter Gedanke. Sie war blond, oder?«
»Weißblondes Haar«, sagte ich. »Lange Augenschlitze …«
Ich rutschte auf meinem Sitz herum; unter dem Gurt spürte ich, wie ich hart wurde. Hohe und weit auseinanderstehende
Brüste. Schmale Taille und kleiner Bauch. Breite Hüften und kräftige Schenkel. Diese Details hatte Villas Boas erwähnt, als er die Außerirdische beschrieb, die ihn gefangen gehalten und zweimal missbraucht hatte. Ich wollte sie für Julian nicht wiederholen; ich wollte nicht mal daran denken. Aber hatte ich die Wahl?
»Nun«, sagte er schließlich, und ich fragte mich, ob er wohl dasselbe gedacht hatte wie ich. »Wenn man von Außerirdischen gekidnappt wird, kann man es schlechter treffen. Dennoch können wir daraus etwas lernen.«
»Nämlich?«
»Wenn das nächste Mal nachts eine rötlich schillernde Scheibe auf deinem Kohlacker landet, steh nicht rum und mach Fotos. Lass deine Harke fallen und nimm die Beine in die Hand.«
»Hm? Rötlich schillernde Scheibe?« Irgendwie hatte ich dieses Detail ganz vergessen. »Was hast du gerade gesagt?«
»Ich sagte: Wir sind am Ziel«, verkündete Julian laut, als wäre ich schwerhörig. Er blinkte, bremste und bog von der schmalen Landstraße ab – den Expressway hatten wir schon lange hinter uns – auf etwas, das sich wie ein Kiesweg anhörte, eine Auffahrt. »Unser kleines Observatorium, Laboratorium – unser Think Tank. Auch bekannt als Hauptquartier der Super Science Society. Eine echte Schönheit, oder?«
Da stand ein Haus am Ende der Auffahrt. In der Dämmerung war es kaum zu erkennen, aber es schien groß zu sein. Es hatte einen Turm, der ein wenig wie ein Silo aussah, direkt am Haus. Ich konnte nicht ausmachen, wie hoch der Turm war. Nach allem, was ich sah, mochte er bis in den Himmel reichen.
KAPITEL 7
Das Erste, was ich sah, als wir in die Eingangshalle kamen, war die Treppe. Sie beeindruckte mich, auch wenn ich gar nicht weiß, wieso. Das schwere Geländer und die breiten braunen Stufen hatten so etwas an sich, strahlten Dimensionen aus, die eher zu ahnen, als zu sehen waren.
Am Fuß der Treppe hing an der Wand – in dunklem, fast schwarzem Holz gerahmt – der dreigeteilte Winkel, das Emblem von Julians Karte. Es war in schlichtem Schwarz auf etwas gemalt, das nach Pergament aussah. Daneben hing – ebenso
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