Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel
eine Höhle, darunter eine weitere, die noch niemand je gesehen hatte. »Seelenbrunnen«, nannte sich dieser verborgene Ort, weil die Geister der Toten dorthin kamen, um zu beten … Mit halbem Ohr hatte ich mitbekommen, was sie sagte, und mich ergriff eine große Sehnsucht, wie damals, als ich fünf war und mit meiner Mutter Jakobs Traum betrachtete.
»Das würde ich mir gern ansehen«, sagte ich. »Eines Tages möchte ich mal nach Israel.«
»Dummchen, der Felsendom steht doch nicht in Israel. Man kommt von Israel aus nicht mal dahin. Er steht im jordanischen Teil von Jerusalem. Du weißt doch, dass Jerusalem geteilt
ist, in eine israelische und eine jordanische Hälfte. Das ist schon seit fünfzehn Jahren so, seit der Gründung Israels. Man darf nicht sagen, dass man schon mal in Israel war, sonst lassen einen die Jordanier nicht rein. Und als Jude ist es ganz egal, woher man kommt. Uns lassen sie sowieso nicht über die Grenze.«
»Das ist ja nicht gerade fair«, sagte ich.
»Tja, so ist es aber. Als wir dort gewohnt haben, mussten wir so tun, als wären wir Episkopale. Wie meine Mama – die ist wirklich Episkopalin. Wir sind jeden Sonntag zur Kirche gegangen … Oh, da kommt Tom.«
Schritte. Knarrendes Holz. Ein kleiner, rundlicher Junge mit dunkelblonden Haaren kam die Treppe herunter, mit Jackett und Krawatte, genau wie Julian und ich.
»Alles in Ordnung da oben?«, fragte ihn Rochelle.
»Tadellos. Keine Ahnung, wieso der Summer losgegangen ist. Ich brauchte einen Moment, um das Kraftfeld neu einzurichten. Ich glaube, ich habe die Feldlinien etwas weicher hinbekommen, zumindest den Aufzeichnungen nach zu urteilen.«
Sie hatte offenbar vergessen, dass ich da war. Dann fiel es ihr wieder ein. »Danny«, sagte Rochelle. »Das ist Tom Dimitrios. Tom – Danny Shapiro.«
Wir gaben uns die Hand. Seine fühlte sich weich und leicht verschwitzt an. Mit einiger Genugtuung registrierte ich, dass seine Stimme mitnichten so tief war wie meine. »Ich kenne dich«, sagte ich. »Ich kann mich nicht erinnern, wie oder woher, aber wir sind uns schon mal begegnet.«
»Hab dich noch nie gesehen.«
Er schien sich absolut sicher zu sein. Urplötzlich war auch Julian neben uns im Korridor aufgetaucht. »Tom ist unser Technikexperte«, erklärte er mir. »Tom, hast du eine Ahnung, wie die Sichtverhältnisse heute Abend sein werden?«
»Ich habe nur den Wetterbericht von Wibbidge gehört«, sagte Tom. »Die meinten, am späteren Abend kommt noch eine Front durch. Müsste eigentlich den Dunst vertreiben. Glaube ich zumindest.«
Wibbidge. WIBG, Philadelphias Rock’n’Roll-Sender. Kein Wunder, dass die Musik so schrecklich gewesen war. So was hörten Superwissenschaftler also? Denselben Rock’n’Roll, den auch die dümmsten, pomadisierten, Kaugummi kauenden Kids – typisch Braxton – an meiner Schule hörten? Ein Traum zerbrach in mir. Schmerzvoll. Sie waren eben doch nur einfache Teenager; und ich hatte so sehr gehofft, sie wären mehr. Damit wir Freunde sein konnten.
»Nun denn«, sagte Julian. »Lasst uns erst was essen. Danach gehen wir rauf ins Observatorium und sehen mal nach, was es zu sehen gibt. Komm, Danny, wir machen den Salat. Soll unser Liebespärchen seine Schachpartie beenden.«
KAPITEL 8
Ich folgte ihm in die Küche. Sie war hell erleuchtet und duftete nach gebratenem Fleisch. Julian zog sein Jackett aus und band sich eine Schürze um. Mir warf er auch eine zu. Und was soll ich damit machen? Das dachte ich, als ich sie fing, dann ging mir ein Licht auf: Dummkopf, anziehen natürlich.
»Die Kartoffeln kochen«, verkündete Julian beim Blick in den Topf auf dem Herd. »Und die Bohnen sind auch gleich so weit. Also, ich glaube, Mr Shapiro, wir können das Grünzeug auspacken und ans Werk gehen.«
Neben der Spüle stand ein Schneidebrett, ein weiteres auf dem Küchentresen gegenüber. Julian winkte mich zum Tresen und reichte mir ein Sieb voller Pilze. Unbeholfen begann ich,
diese in Scheibchen zu schneiden. Er spülte einen Bund Frühlingszwiebeln ab, legte sie auf sein Schneidebrett und köpfte alle mit einer einzigen, großen Geste.
»Tja …«, sagte er. »Wie findest du Rochelle?«
»Sie ist …« Ich suchte nach dem richtigen Wort, das ausdrückte, welche Wirkung sie auf mich hatte. »Um werfend!«, erklärte ich, wobei meine Stimme, die ich für absolut ausgereift gehalten hatte, auf der ersten Silbe um einige Oktaven höher ausfiel.
Julian lachte. Wackelte mit den Augenbrauen.
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