Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel
gekommen. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und trat ans Geländer. Sie lehnte sich dagegen, und ich tat es ihr nach. Ich stellte mir vor, wir stünden auf dem Deck eines Schiffes, das übers mitternächtliche
Meer segelte, nur waren wir hier mitten in der Luft. Ich wagte nicht hinunterzusehen.
»Was meintest du«, fragte sie, »beim Essen, als du das vom Abstieg in die Höhlen der Dero gesagt hast?«
»Ach … ich weiß nicht. Ich glaube, es war nur ein Witz. Ist mir so rausgerutscht. Ich weiß nicht, wieso ich es gesagt habe.«
»Es ist kein Witz. Das weißt du.«
Alles in mir wurde kalt. Ich krallte mich mit beiden Händen am Geländer fest, zur Sicherheit.
»Die Höhlen der Dero sind kein Witz«, erklärte Rochelle. »Richard Shavers Schweißbrenner – oder was da mit ihm gesprochen hat – sagte die Wahrheit. Zumindest größtenteils.«
»Die Dero gibt es wirklich. Willst du mir das damit sagen?«
»Ja, genau. Oder irgendwas Ähnliches. Auf den Namen würde ich mich nicht festlegen. Weißt du, Shaver nennt sie manchmal auch abandondero. Die Zurückgelassenen.«
Richard Sharpe Shaver. Der Metallarbeiter aus Pennsylvania – so lustig sein Name, so traurig seine Nachrichten aus der Unterwelt. Die Welt derer, die zurückgelassen wurden, als die Alte Rasse …
»Zu den Sternen aufbrach«, sagte Rochelle. Ohne es zu merken, hatte ich meine Gedanken offenbar laut ausgesprochen. »Sie wussten, dass die Strahlung der alternden Sonne sie vergiftete. Sie welkten dahin. Sie starben …«
»Sie schienen schnell zu altern «, sagte ich. Wie eine gewisse Frau, die ich gut kannte: vor ihrer Zeit gealtert, verwelkt, wobei es mir nur auffiel, wenn ich alte Fotos ansah. »Zwanzigjährige Mädchen schienen bald alte Frauen zu sein.«
Rochelle nickte. »Oh, ja«, sagte sie. »Du weißt mehr, als du zugibst, nicht? Du kennst das Shaver-Buch – du kannst es sogar zitieren. Dann weißt du, dass die Alte Rasse die Erde mit
ihren Raumschiffen verlassen hat. Sie ließen die Dero hinter sich zurück, die hier der Sonnenstrahlung ausgesetzt waren. Dadurch wurden die Dero so sonderbar. Aber das wusstest du ja alles schon.«
Ich dachte: Ich wusste nicht, dass es stimmt.
»Die Einzelheiten möchte ich nicht beschwören«, sagte Rochelle. »Und auch nicht, was diese … diese Dinger sind. Es gibt da ein Kontinuum. Wir kennen die dazugehörige – wie heißt das Wort? – Taxonomie noch nicht. Wir können nur hier und da mal einen Blick daraufwerfen. Ich bezweifle, dass Shaver es wirklich versteht. Im Grunde bin ich mir sicher, dass er es nicht versteht. Er ist kein großer Denker. Ich weiß es: Ich habe ihn kennengelernt.«
Was? Wie? Anscheinend gab es niemanden, den sie nicht kannte. »Und was die Dero tun?«, sagte ich. »Den Menschen antun, die sie kidnappen … in ihren Höhlen …?«
»Ja. Es stimmt. Das Verdursten, das Verbrennen, das Pfählen … alles stimmt. Aber frag nicht nach Details. Bitte. Das möchtest du wirklich nicht …«
Ihre Stimme wurde leiser. Ihr Gesicht verzog sich vor Schmerz und Trauer. Ich meinte zu sehen, wie sie die Worte Nein, Danny! sagen wollte. Doch es kam kein Laut heraus. Ihr Gesicht welkte und wurde faltig und sank in sich zusammen wie das einer alten Frau, bis sie am Ende nur noch an ihren Augen zu erkennen war, die mich groß und unverwandt durch einen Schleier ungeweinter Tränen anstarrten.
Shaver täuscht sich, dachte ich. Nicht die Sonne vergiftet uns. Es ist das Mondlicht.
»Wir gehen wieder runter«, rief Tom. »Wer mitkommen will, sei dazu herzlich eingeladen.«
Es war kein Licht mehr in der Hütte. Julian war mit der Taschenlampe
bereits auf dem Weg die Wendeltreppe hinunter. Tom folgte ihm.
»Wir sollten lieber gehen«, sagte Rochelle. Ich drehte mich zu ihr um und sah erleichtert das hübsche Mädchen, das vor dem Schachbrett gesessen hatte.
»Die lassen uns hier zurück«, sagte sie. »So sind sie nun mal. Und ich habe keine Lampe dabei.«
KAPITEL 11
Die Treppe war dunkel, als wir Tom und Julian ins Haus folgten. Die Taschenlampe leuchtete klein und schwach weit unter uns. Ich konnte nichts sehen und hatte die hohe Stufe ganz oben vergessen.
»Danny!«, sagte Rochelle. »Alles in Ordnung?«
»Ich glaub, ich hab mir den Knöchel verrenkt. Warum warten die nicht auf uns?«
»Mach dir keine Sorgen. Nimm meinen Arm und stütz dich ab. Wir brauchen die Taschenlampe nicht. Ich bin diese Treppe schon tausend Mal rauf- und runtergelaufen.«
Und so
Weitere Kostenlose Bücher