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Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Titel: Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Halperin
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humpelte ich Stufe für Stufe abwärts, eine halbe Stunde, wie es schien, in absoluter Finsternis. Als sie mich schließlich in den Flur im ersten Stock führte, schien es nicht mehr dasselbe Haus zu sein, das wir vor einer Weile hinter uns gelassen hatten.
    »Wo sind Julian und Tom?«, fragte ich.
    Aufmerksam suchte sie links von sich. »Anscheinend nicht hier. Und auch nicht da«, sagte sie mit einem Blick nach rechts. »Was glaubst du denn, wo sie sind?«
    »Ich habe wirklich keine Ahnung«, sagte ich.
    »Dann habe ich auch keine Ahnung.«

    Sie stand mir gegenüber, ganz nah. Sie lächelte warm, verlockend. Es war, als wäre ihre seltsame Verwandlung nie geschehen.
    »Weißt du«, sagte sie, »du hättest meinen Arm nicht loslassen müssen.«
    Ich versuchte, meine Hand zu heben, um ihren Arm zu nehmen. Sie ließ sich nicht bewegen.
    »Den ganzen Abend frage ich mich schon«, sagte sie, »wie du wohl ohne deine Brille aussiehst.« Sie griff danach und nahm sie mir ab. »Oh, gut«, verkündete sie. »Sehr gut.« Sie hob ihren linken Zeigefinger an meine Braue und strich sanft um mein Auge herum. »Wunderschöne Augenhöhle. Und ein Schwung zum Anbeißen«, sagte sie, wobei sie mit dem Finger über mein Nasenbein und dann bis hinunter zur Spitze strich. »Und das alles verdeckst du mit der Brille. Warum tust du das?«
    »Ich kann ohne sie nicht sehen«, sagte ich.
    »Schon mal was von Kontaktlinsen gehört? Schon mal die Broschüren von Bausch & Lomb gelesen? Meine Gläser sind bestimmt doppelt so dick wie deine, wenn ich keine Linsen trage.«
    »Ich habe meine erste Brille schon mit fünf bekommen«, sagte ich.
    »Was nicht heißt, dass du sie auf ewig tragen musst.«
    Ich weiß nicht, wo sie meine Brille hingelegt hatte. Sie nahm ihre Hand nicht von meinem Gesicht, während sie mich mit der anderen im Nacken hielt und sanft an sich zog. Etwas Pelziges rieb sich an meinem Bein. Mehitabel, die Katze. Ich sah nicht hinab, gab ihr keinen Tritt. Ich strich über Rochelles glattes, schimmerndes Haar und ihren nackten Rücken bis zum Rand des Abendkleides.
    »Da ist irgendwo ein Reißverschluss«, flüsterte sie. »Vielleicht
solltest du mal daran ziehen. Wer weiß, was dann passiert.«
    Sie fing an, mich zu küssen, fuhr zärtlich mit der Zunge über meine Lippen, über meine Zähne.
    »Wird Zeit, dass du lernst, wie man einen BH aufmacht«, sagte sie.
    »Bist du nicht mit Tom zusammen?«
    »Möglich«, sagte sie leise, schläfrig.
    Sie nahm meine Unterlippe zwischen die Zähne und zog sanft daran. Dann ließ sie los. Wieder biss sie leicht hinein, wieder ließ sie los. Ihre Hand fuhr langsam an meinem Rücken hinunter und vorn über meinen Oberschenkel.
    »Oh«, sagte sie und tastete zwischen meinen Beinen. »Da haben wir aber einen mächtigen Ständer, was?«
    Ein Schauer fuhr durch mich hindurch. Ich fing an zu winseln. Ich meinte zu hören, wie die Katze schrie. Ich spürte, wie mich unbeschreibliche Lust erfüllte. Rochelle lächelte … Und im Leuchten ihres Lächelns erschien das Bild von Rosa Pagliano, strahlend in der Dunkelheit, wie das Lächeln selbst.
    Rosa lachte, warf ihren Kopf vor Freude in den Nacken. Aus ihren Augen sprach ein leiser Groll. Sie sang: »And I’ll not marry at all, at all, and I’ll not marry at all …«
     
    »Mehr ist nicht dabei«, sagte Rochelle. »So schlimm war es nicht, oder?«
    »Ich bin ganz nass«, sagte ich. »Und alles klebt.«
    »So ist das eben. Nichts, wofür man sich schämen müsste.«
    »Aber Rochelle. Das war alles? Alles?«
    Ich stand neben ihr im dunklen Korridor, hilflos, verwirrt, halb blind. Einen Moment später nahm sie meine Hand. Sanft führte sie mich zur Treppe.
    »Komm«, sagte sie. »Spielen wir eine Partie Schach.«

III.
Miami Airport
    (März 1966)

KAPITEL 12
    Montag, 9. März 1963. Diesen Tag habe ich nach zweieinhalb Jahren immer noch so deutlich vor Augen, als wäre es gestern gewesen. Der Beginn der ersten vollen Woche meiner neunten Klasse. Zum ersten Mal klingelte es zur Stunde – rief man uns zum Englischunterricht? Gesellschaftskunde? Algebra II?
    Ich weiß es nicht. Ich war nicht da.
    Stattdessen war ich mit Julian – ja, Julian – unterwegs nach Miami, um das Buch aufzutreiben, das neben Jessups Leiche gelegen hatte. Die Sonne ging gerade auf, als wir über die Staatsgrenze nach Florida fuhren. Wir waren die ganze Nacht gefahren. Mein Bein tat weh, weil ich meinen Fuß stundenlang auf dem Gaspedal halten musste. Palmen, wie ich sie

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