Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

wirst niemandem erzählen, was heute Abend hier passiert ist. Hab ich recht?«
    »Ja«, sagte ich. »Ich werde niemandem davon erzählen.«
    »Und du wirst auch kein Wort über Roswell verlieren, oder?«
    »Nein. Versprochen. Ich werde auch kein Wort über Roswell verlieren.«
    »Denn, weißt du, Danny Boy, wir finden dich. Wann immer wir wollen. Egal wo du hingehst, wir werden dich finden.«
    Corky fing an, meine Fesseln aufzuknoten.
    »Nur ein Wort«, sagte das Narbengesicht, »und du steckst bis zum Hals in der Scheiße.«
    »Ehrenwort«, sagte ich. »Ich erzähl niemandem was.«
    Zitternd stand ich auf. Das Narbengesicht legte mir seinen Arm um die Schulter und nahm mich beiseite.
    »Danny«, sagte er. »Du bist mir richtig ans Herz gewachsen. Als wärst du mein Sohn. Verstehst du, was ich meine?«
    Ich nickte.
    »Und ich möchte dir einen Rat geben. Wie ein Dad seinem Sohn. Hörst du zu?«
    »Ja«, sagte ich. »Tu ich.«
    »Klau keine Koffer mehr. Wenn du Mädchenunterwäsche
anprobieren möchtest, nimm die von deiner Schwester. Hast du eine Schwester?«
    »Nein«, sagte ich. »Hab ich nicht.«
    »Na, aber eine Mutter wirst du doch haben. Oder?«
    »Ja, aber … ich meine, sie ist krank, sie war schon immer krank …«
    »Dann hast du vielleicht eine Oma. Frag sie, ob sie dir ein paar Höschen kauft, die du anprobieren kannst. Hast du eine Oma?«
    »Ja«, sagte ich. »Ich habe eine Oma.«
    »Gut. Dann frag sie. Aber lass keine Koffer mehr mitgehen. Versprichst du mir das?«
    »Versprochen«, sagte ich.
    »Gut. Sehr gut. Und eins noch. Halt dich von Weibern wie dieser Rochelle Perlmann fern. Wenn so eine Kondome im Koffer hat, gibt es nur Probleme. Vergiss das nicht.«
    »Ich vergesse es nicht«, sagte ich.
    Er nahm mich bei den Schultern, sah mir in die Augen und lächelte auf mich herab. Er fing an zu singen, ganz leise, mit einem leicht irischen Akzent. »Oh Danny Boy, the pipes the pipes are calling …«
    Ich erwiderte sein Lächeln. Ich hätte heulen können.
    »Pass auf dich auf, Danny Boy«, sagte er und klopfte mir sanft auf die Schulter … und schon stand ich draußen auf dem langen weißen Korridor.
    Sie hatten meine Brieftasche. Das war mir egal. Ich hatte das Buch vom Schreibtisch genommen. Ich hielt es sicher in der Hand. Aber nicht Das Buch der Verdammten, das ich bei mir gehabt hatte, sondern Tatsache UFO mit den Anmerkungen der Zigeuner … Aus dem Zimmer hinter mir hörte ich ein Lachen.
    »Hey, Danny Boy!«
    Ich ging schneller.

    »Danny! Du hast das falsche Buch!«
    Sollte ich losrennen? Wenn ich renne, kann ich vielleicht entkommen. Aber dann wissen sie, dass ich Bescheid weiß …
    »Danny! Komm sofort zurück!«
    Ich rannte.

KAPITEL 16
    Keine Ahnung, wie lange. Die Korridore waren endlos, weiß und leer. Ich weiß nicht, um wie viele Ecken ich gebogen bin. Keine führte irgendwohin. Ich hörte, dass mir die Männer hinterherliefen. Dann wieder hörte ich nur meine eigenen Schritte durch die Korridore hallen.
    Es mochte Tage und Nächte gedauert haben. Wochen, Monate, Jahre. Einmal – das weiß ich noch – versteckte ich mich auf einer Toilette.
    Ich stürzte in eine Kabine und stieg auf den Sitz. Dort kauerte ich, die Füße links und rechts auf der Brille, mit dem Rücken an der Wand, und zog den Kopf ein, damit ich über der Kabinentür nicht zu sehen war. Ich musste aufpassen, dass ich nicht abrutschte. Die Männer kamen herein. Sie suchten in einer der Kabinen, aber nicht in meiner. Ich hielt die Luft an.
    »Er ist hier drinnen«, hörte ich den mit den Hasenzähnen sagen.
    »Nein, ist er nicht«, erwiderte das Narbengesicht.
    »Scheiße«, sagte Corky. »Wahrscheinlich sitzt er auf der Mädchen toilette.«
    Es war die Mädchentoilette, in der ich da hockte. Oder vielmehr die Damentoilette. Wahrscheinlich waren sie zu blöd, es zu bemerken. Alle prusteten los. Sie lachten immer noch, als sie die Tür hinter sich schlossen und den Flur hinuntergingen.
Es könnte Tage und Nächte gedauert haben, bis ich es wagte, mich zu rühren.
     
    Ich wurde den Gedanken nicht los, dass Julian und Rochelle bestimmt irgendwo in diesen Korridoren waren und nach mir suchten. Taten sie aber nicht. Und auch sonst niemand. Selbst die Schalterhalle war menschenleer, als ich endlich wieder dorthin zurückfand.
    Inzwischen trottete ich. Ich hatte keine Kraft mehr zu rennen. Langsam näherte ich mich den Türen des Terminals und fragte mich, wie ich wieder zum Hotel zurückkommen sollte. Oder sonst