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Der Tag an dem die Sonne verschwand

Titel: Der Tag an dem die Sonne verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Domian
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EINTRAG
    Etwa sieben Stunden später.
    Sturm!
    Bin vor zehn Minuten von ihm geweckt worden. Er rüttelt an meinem Dach. Es ist Nacht. 2.15 Uhr. Nur Sturm draußen, kein Regen. Habe gerade meinen Kopf aus dem Fenster gestreckt und in die heftigen Böen gehalten. Das war ein schönes Gefühl. Und ich meine – aber ich kann mich auch irren -, für Sekunden einen Stern gesehen zu haben. Er glitzerte in einem kalten, weißblauen Licht. Es schien, als wäre an dieser Stelle die Wolkendecke ganz kurz aufgerissen. Aber vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet.
    Ich werde jetzt Tee kochen und mich dann auf meine Couch setzen und dem Wind lauschen. So etwas habe ich lange nicht mehr gehört.
     
    4.20 Uhr. Der Sturm ist stärker geworden. Er rast über mein Dach und rüttelt dabei an jeder einzelnen Dachpfanne. So hört es sich jedenfalls an.
    Ich habe gerade noch einmal meinen Kopf hinausgehalten, konnte danach aber nur mit Mühe das Fenster wieder schließen, so heftig drückte der Wind gegen die Scheibe.
    Kein Niederschlag draußen. Temperatur angestiegen auf plus dreizehn Grad. Geschlossene Wolkendecke.
    Ich werde wieder sehr müde. Und die Geräusche des Windes haben eine fast hypnotische Wirkung. Soll ich ins Bett gehen? Ja, warum nicht. Hoffentlich kann ich lange und tief schlafen. Ich werde noch etwas trinken.
     
    Was ist das? Sonderbare Geräusche überall auf dem Dach!
     
    Drei Minuten später. Es regnet! Ja, es regnet. Ich war am Fenster und habe meine nackten Arme hinausgestreckt.
    Dicke Tropfen stürzen vom Himmel.
    Regen.
    Dass es noch einmal zu regnen beginnt …
    Nun schmilzt der verbliebene Schnee bestimmt sehr schnell.
    Es wird zu Überschwemmungen kommen. So viel Wasser überall!
     
    Ein komisches Gefühl war das gerade, als die Regentropfen meine Haut trafen.
     
    Ich bin so müde. Was wollte ich denn noch tun? Ach ja, etwas trinken.
     
    Fünf Minuten später.
    Ich habe eine Tasse Tee und ein Glas Wasser getrunken.
    Die Vorstellung, in wenigen Minuten im Bett zu liegen, gefällt mir. Meine große, gut wärmende Decke ist wie ein Uterus. Ich verkrieche mich dort und vergesse mich selbst.

60. EINTRAG
    Neun Stunden später.
    Ich weiß nicht, was ich tun soll! Was ich denken soll! Was im Moment in mir vorgeht!
    Ich finde keine Worte! Es ist, als würde meine Seele nach Luft schnappen – vor lauter Verwirrung, vor lauter Aufregung!
     
    DIE SONNE SCHEINT!
     
    Ja, die Sonne ist zurück und steht groß am Himmel! Ich laufe wie ein Irrer durch meine Wohnung, habe alle Fenster aufgerissen.
    Sonne!
    Sonne in meinem Zimmer. Sonne auf meiner Haut. Sonne über meiner Stadt. Träume ich? Nein, nein …
     
    Ich bin vor ungefähr zwanzig Minuten aufgewacht. Die Strahlen lagen genau auf meinem schlafenden Gesicht. Ich hatte ja die Schlafzimmergardinen nicht zugezogen. Die für mein Empfinden extreme Helligkeit stach in meine geschlossenen Augen und weckte mich auf. Ich war zunächst völlig irritiert und wie gelähmt. Blinzelte zum Fenster, sah den blauen Himmel, und ich schaute in meinem Zimmer umher, das mir so hell erleuchtet ganz fremd erschien. Mehrere Minuten brauchte ich, um zu verstehen, dass ich nicht träumte.
    Und es war wahr. Es ist wahr.
    Sonne am Firmament. Sonne in meinen Augen. Sonne überall.
     
    Ich habe meinen Tisch zum Schreiben ans Fenster gezogen, damit ich auch bloß von allen Strahlen erreicht werde, damit jede Pore meiner Gesichtshaut mit Sonnenlicht geflutet wird. Ich bin hellwach. Die Müdigkeit ist wie fortgepustet. Licht. Licht überall. Und so mild die Luft! Mein Thermometer zeigt achtzehn Grad. Das muss man sich mal vorstellen! Und wie gut die Luft riecht. Ich kann das alles nicht glauben!
    Was geschieht jetzt mit der Welt? Ob die Bäume ausschlagen werden? Vielleicht wird es sogar wieder blühende Blumen geben? Flieder und Rosen. Nur noch wenig Schnee ist zu sehen. Und die Reste tauen sicher rasend schnell weg. Ich fühle mich so erschöpft – und dennoch bin ich wahnsinnig aufgeregt.
    Linder Wind weht in mein Zimmer. Wie wundervoll! Und erst der Himmel.
    Ich hatte das Blau des Himmels vergessen.
    Fast alle Wolken sind verschwunden. Die Sonne erwärmt mein Gesicht.
     
    Ich würde jetzt gerne sprechen. Ich fühle mich, als wäre ich aus einem langen Koma erwacht. Ungefähr ein Jahr Nacht liegt hinter mir. Ich könnte auch sagen: eine Ewigkeit Nacht. Und meine ganze Vergangenheit liegt im Schatten der neu erwachten, grandiosen Sonne. So kommt es mir vor. Blicke ich zurück,

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