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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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fortgezogen sind und unsere arme kleine Charlie wieder allein war. Mag sein, dass sie zu diesem Zeitpunkt beschlossen hat, ihre Mutter ausfindig zu machen und eine alte Rechnung zu begleichen.»
    «Wir bräuchten einen Zeugen, irgendeinen Beweis, dass Charlie wusste, wo ihre Mutter lebt.»
    «Beschlagnahmen wir ihren Computer.»
    «Sie hat keinen.»
    «Ich wette, ihre Tante hat einen bei sich zu Hause. Holen wir uns den und kramen in alten Dateien. Vielleicht ist da noch eine E-Mail, oder die Browser-Chronik gibt was her. Irgendwas findet sich immer. Außerdem bin ich mir sicher, dass sie Zugang zum Internet hat, in der Stadtbibliothek zum Beispiel. Wie hätte sie sonst Jagd auf Päderasten machen können? Heutzutage hängt jeder im Netz und hinterlässt dort Spuren. Wir müssen nur an der richtigen Stelle graben. Vielleicht hat Charlie vor acht Jahren ihre Mutter ausfindig gemacht und getötet. Sich Genugtuung verschafft, Gerechtigkeit wiederhergestellt. Wer weiß?»
    D.D. sah keinen Grund, O zu widersprechen. Mit dem Tod der Mutter schien der Gerechtigkeit Genüge getan worden zu sein. Und dass jeder im Netz Spuren hinterließ, war nur zu hoffen. Von Phil hatte sie kurz vor dem Abendessen erfahren, dass er und Neil in Barrys Schlafzimmer acht elektronische Geräte konfisziert und der Kriminaltechnik ausgehändigt hatten, die nun unter anderem herauszufinden versuchte, ob es eine Verbindung gab zwischen Barry und den beiden anderen Päderasten, womöglich sogar zu der Person mit den «blauen Katzenaugen», die dem jungen Zeugen aufgefallen waren.
    «Charlene Grant hat also ihre eigene Mutter getötet», resümierte D.D., «und so großen Gefallen daran gefunden, dass sie beschließt, acht Jahre zu warten und dann in Boston Sexualstraftäter zu jagen, um weitere Male der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Verstehe ich Sie richtig?»
    «Vielleicht hat sie gar nicht acht Jahre gewartet. Vielleicht war sie schon anderenorts aktiv. Wir wissen nur von drei Tötungsdelikten in unserem Zuständigkeitsbereich. Davon abgesehen werden Tötungsimpulse, wie wir wissen, vor allem in Stresssituationen getriggert, und dass Charlene Grant zurzeit schwer unter Stress steht, sieht man auf den ersten Blick.»
    «Sie meinen, wenn der ansonsten braven Frau der Stress zu viel wird, lädt sie ihre Pistole und lässt Dampf ab?»
    «Warum nicht? Es gibt abwegigere Motive, Sexualstraftäter zu töten.»
    «Noch mehr gewagte Hypothesen.»
    «Deshalb bin ich ihr heute Abend gefolgt», erwiderte Detective O gereizt. «Ich habe ihre 22er ins Labor gebracht, und spätestens morgen liegt uns ein ballistischer Bericht vor. Dann wird sich zeigen, wie gewagt meine Hypothesen waren.»
    «Hoffen wir’s», murmelte D.D. «Sonst hätten wir einem potenziellen Mordopfer eine vorschriftsmäßig angemeldete Waffe abgenommen, mit der es sich vor dem bevorstehenden Angriff schützen wollte.»
    «Kommen Sie mir nicht damit!», blaffte O. «Es geht um Charlene und um ihre Vergangenheit an der Seite einer psychotischen Mutter. Ich bezweifle, dass sie morgen Ziel eines Angriffs sein wird. Ich glaube vielmehr, sie hält uns mit dieser Geschichte bloß zum Narren. Viele Menschen wurden in ihrer Kindheit misshandelt, und sie schaffen es trotzdem aufzuwachsen, ohne ihr Gedächtnis unterwegs zu verlieren. Charlene behauptet, vergessen zu haben, dass sie von ihrer Mutter niedergestochen wurde. Schon das war gelogen, wenn Sie mich fragen.»
    «Haben Sie ihr nicht eine dissoziative Persönlichkeitsstörung attestiert? Das würde doch die Gedächtnislücken erklären. Nicht Charlie wurde von ihrer Mutter niedergestochen, sondern ihre – sagen wir: Opferpersönlichkeit alias Rosalind. Davon weiß Charlie nichts mehr. Und statt ihrer läuft eine Beschützerpersönlichkeit namens Abigail durch Boston und bringt Sexualstraftäter zur Strecke.»
    «Unsinn.»
    «Sie haben damit angefangen.»
    «Nur um mit Ihnen zu streiten. Unser Job wäre sonst doch verdammt fade, oder?»
    «Schön. Immerhin sind wir uns in einem Punkt einig: Wir brauchen den Bericht der Ballistik. Dass Sie die Waffe sichergestellt und ins Labor gebracht haben, war gute Arbeit. Gratuliere, Detective.»
    Für einen Moment glaubte D.D., Os Unbehagen in der Leitung spüren zu können, und musste unwillkürlich an eine andere Polizistin denken, der Lob auch eher peinlich war – sie selbst.
    «Detective», sagte D.D. in etwas anderer Tonlage.
    «Ja.»
    «Gehen Sie nach Hause. Schlafen Sie sich aus. In rund sieben

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