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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Freundinnen.
    Sie hielt ihr Baby. Sie sog den Duft von Milch, Puder und neugeborener Unschuld ein. Sie sah die kleine Brust auf und ab gehen, bewunderte die eingedrückten Fältchen im Gesicht und die vollkommenen kleinen, zusammengerollten Finger.
    Sie staunte über das winzige Wunder, das ihr Kind war.
    Dann küsste sie es sanft auf die Stirn, legte es in seinen Korb und holte sich ein Glas Wasser aus der Küche. Prompt klingelte wieder das Telefon.
    Sie warf einen Blick auf das Display. Detective O. Sie antwortete.
    «So erfüllen sich Prophezeiungen von selbst», bemerkte D.D. anstelle eines Grußes. «Gratuliere. Charlene ist ohne ihre 22er zum Dienst erschienen.»
    «Irrtum», sagte O triumphierend.
    D.D. stockte. Sie nahm einen Schluck Wasser und schaute O fragend an. «Wie soll ich das verstehen?»
    «Ich bin ihr gefolgt.»
    «Sie sind Charlene Grant gefolgt?»
    «Genauer gesagt, habe ich auf dem Parkplatz vor der Polizeistation von Grovesnor auf sie gewartet. Für den Fall, dass ihr dort die Waffe abgenommen worden wäre, hätte ich sie gleich mitnehmen und zur Kriminaltechnik bringen können.»
    «Um elf in der Nacht?»
    «Ich habe vorher Jon Cassir, den Spezialisten der Ballistik, angerufen und ihn gebeten, noch eine Weile zu bleiben.»
    D.D. runzelte die Stirn. Sie nahm Anstoß an Os plump-dreister Art und fühlte sich versucht, die jüngere Kollegin zurechtzustutzen. Aber dann besann sie sich. O hatte Initiative gezeigt. Und an einer aggressiven Strategie war nichts auszusetzen, wenn es darum ging, einen Serientäter zu stellen. Es hatte Zeiten gegeben, in denen D.D. genauso vorgegangen wäre.
    Statt zu ihrem Baby nach Hause zurückzukehren. Statt zu sagen, sie sei nach dem Abendessen wieder zur Stelle, obwohl Alex ebenfalls Entlastung brauchte, auch wenn sie nach ihren Nachteinsätzen selbst am Ende war, ganz zu schweigen vom Frühstück mit ihren Eltern. Im Übrigen war es viel angenehmer gewesen, sich um Jack zu kümmern als nach Roxbury zurückzufahren. Sie konnte ja auch von zu Hause aus arbeiten und nebenbei ihre Eltern anrufen, um die Wogen zu glätten. Sie hätte es gekonnt.
    «Ich war also vor Ort», fuhr O fort, «und sah Charlene von der U-Bahn-Station kommen. Auf dem Parkplatz wurde sie von einem Officer angesprochen. Zuerst dachte ich, er könnte ein Freund von ihr sein, aber sie wurde regelrecht aggressiv, und er legte die Hand auf seine Dienstwaffe. Es sah aus, als wollte er sie festnehmen, doch dann ließ er sie plötzlich stehen und verschwand. Worauf sie ihre Halbautomatik aus der Tasche nahm, sie in einen Schal wickelte und in einem Schneehaufen versteckte.»
    «Sie scherzen.»
    «Nein. Natürlich habe ich mir die Taurus geholt, kaum dass Charlene in die Station gegangen war, und die Waffe ins Labor gebracht. Da bin ich immer noch. Cassir will uns morgen früh das Ergebnis vorlegen.»
    D.D. war sich nicht sicher, was sie von dieser jüngsten Wendung halten sollte. «Wir haben sechs Geschosse von drei Tatorten. In welchem Zustand sind sie? Geeignet für einen Abgleich?»
    «Nicht alle. Die beiden Kugeln, die diesem Antiholde verpasst wurden, sind ziemlich platt und wahrscheinlich unbrauchbar. Aber Cassir meint, die von Tatort zwei und drei könnten was bringen.»
    «Wir haben die anonymen Nachrichten von allen drei Schießereien. Sie stehen also zweifellos miteinander in Zusammenhang. Wenn auch nur an einem einzigen Geschoss nachzuweisen wäre, dass es aus Charlenes 22er abgefeuert wurde …» D.D. dachte laut nach.
    «Bingo.»
    D.D. nickte. O hatte gute Arbeit geleistet, und es war unfair, ihr den Erfolg zu verübeln. Als altgediente Ermittlerin, die eine neue Lebensphase angetreten hatte, bestand nun D.D.s Aufgabe vor allem darin, der weniger erfahrenen Kollegin unterstützend zur Seite zu stehen. Gewissermaßen den Staffelstab an sie weiterzugeben. Mit anderen Worten, sich selbst verzichtbar zu machen.
    «Haben Sie ihre Tante vernommen?», fragte D.D.
    «Noch nicht. Ich war zu sehr damit beschäftigt, Charlie auszutricksen. Ich hoffe, Sie freuen sich darüber, dass mir das gelungen ist.»
    Das Ergebnis ließ sich sehen. Aber die manische Art, mit der O zur Sache ging, irritierte sie ein wenig.
    «Ich nehme an, Sie werden zur Polizeistation von Grovesnor zurückkehren?», sagte D.D.
    «Wozu?»
    «Sie werden doch nicht auf halbem Weg haltmachen.»
    O schwieg, was D.D. als Antwort reichte.
    «Wollen Sie nicht sehen, wie Charlie nach Dienstschluss im Schnee herumwühlt und nach ihrer

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