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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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meine linke Schulter. Der Raum lag im Dunkeln, weil kein Licht brannte. Die Möbel waren nur als eckige Schatten auszumachen.
    Die Dunkelheit war für mich von Vorteil, weil ich die Wohnung besser kannte als sie. Aber sie hielt eine Waffe in der Hand und schien zuversichtlich, mir überlegen zu sein.
    «Ich hatte einen Gönner», antwortete sie.
    «Einen Gönner?»
    Ihre Miene blieb ungerührt, hart. Das Gesicht einer Polizistin, eines Opfers. Mir war bislang nie bewusst, wie ähnlich sich beide sind.
    «Mit vierzehn habe ich unsere gute alte Mutter verlassen. Wir lebten damals in Colorado. Sie hatte aufgehört, mich zu verletzen und verkaufte mich stattdessen. Sie selbst sah nicht mehr so verführerisch aus wie früher, aber die Miete musste ja irgendwie reinkommen. Sie brachte ihre Freier immer noch mit nach Hause, nur übernachteten die nicht mehr in ihrem Zimmer.»
    Ich sagte nichts.
    «Eines Tages ging mir auf, dass ich mich auch selbständig machen könnte. Ich wartete auf den richtigen Kerl – einen mit genügend Asche – und schlug ihm einen Deal vor. Wenn er mich mit sich nehmen würde, dürfe er exklusiv über mich verfügen.
    Meine Wahl fiel auf den Richtigen, wie sich herausstellte. Er war ein erfolgreicher Anwalt, der satte Honorare einsteckte, einen Teil davon an der Steuer vorbei. Ich bekam mein eigenes Apartment und legte mir eine neue Identität zu, damit unsere liebste Mommy mich nicht aufspüren konnte. War natürlich alles ganz legal. Es hat seine Vorteile, wenn man sich für einen Juristen prostituiert. Ich belegte dann ein paar Online-Kurse und erwarb meine Hochschulreife. Ich war achtzehn und wollte studieren, aber er bestand darauf, dass ich in seinem goldenen Käfig blieb.»
    Abigail brach ihre Geschichte ab. Auf dem Sofa fing meine Tante an zu stöhnen. Sie schlug die Augen auf und starrte uns an, noch benebelt, wie es schien. Ich bezweifelte, dass sie uns erkannte.
    «Wann hast du ihn umgebracht?», fragte ich beiläufig.
    Abigail lächelte. «Das Datum tut nichts zur Sache. Von Bedeutung ist ein ganz anderer Tag. Nicht zuletzt für dich.»
    «Der 21. Januar.»
    «Absolut. Aber warum wohl? Was glaubst du, SisSis? Inwiefern ist dieser Tag von besonderer Bedeutung?»
    Ich musterte sie und suchte nach einer Antwort in der mit ihr gemeinsam verbrachten Zeit, die ich so gründlich vergessen hatte. «Dein Geburtstag?»
    Sie verzog das Gesicht. «Nein.»
    «Mein Geburtstag?»
    «Ich bitte dich. Du bist im Juni zur Welt gekommen.»
    Frances war wach geworden. Sie hing zwar immer noch schlaff in ihrem Ohrensessel, doch ihrem Atem hörte ich nun an, dass sie unserem Gespräch folgte. Ich fragte mich, ob auch Abigail Notiz davon nahm.
    Aber sie achtete weder auf unsere Tante noch auf meine Vermieterin. Sie starrte mich unverwandt an und schien zum ersten Mal leicht verunsichert.
    «Hast du wirklich alles vergessen?»
    Ich zuckte mit den Achseln und schämte mich ein wenig. «Das meiste, ja.»
    «Selbst mich?»
    «Es tut mir leid, Abigail. Ich versuche ja, mich zu erinnern, aber ganz ehrlich … Du warst noch ein Baby und bist dann von einem auf den anderen Tag verschwunden. Ich war mir sicher, dass sie dich umgebracht hat. Wie Rosalind. Wie Carter. So unschuldig und vollkommen, wie sie waren …»
    «Ich habe gesehen, wie sie Carter getötet hat.»
    «Wirklich?»
    «Ich erinnere mich an alles. Er weinte, und sie griff nach dem Kissen. Es war größer als er. Sie drückte es auf ihn und sagte: ‹Das machen wir mit Kindern, die heulen. Merk dir das, Abigail.›»
    «Da warst du doch selbst noch ein Kleinkind.»
    «Zwei Jahre alt, wenn ich mich nicht irre. Und du müsstest vier gewesen sein.»
    «Wie ist es möglich, dass du dich an dein drittes Lebensjahr erinnern kannst?»
    «Wie ist es möglich, dass du dein fünftes Lebensjahr vergessen hast?»
    Meine Tante hatte sich aufgerichtet und bewegte die Hand.
    «Ich wollte sterben», hörte ich mich sagen. «Als ich im Krankenhaus aufgewacht bin, brüsteten sich die Ärzte damit, mich gerettet zu haben. Aber statt dankbar zu sein, hätte ich sie am liebsten umgebracht. Ich war so … so wütend.»
    Ich wich einen Schritt zurück, weg von meiner Tante und in Richtung Hintertür, um Abigails Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Sie sollte nicht merken, dass die beiden Frauen aufgewacht waren.
    «Offenbar musste ich vergessen», sagte ich. «Mir blieb nichts anderes übrig, wenn ich überleben wollte.»
    «Sie hat dich mit einem Messer niedergestochen»,

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