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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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ran.
    «Du erinnerst dich?», fragte meine Schwester.
    «Die Wohnung stand in Flammen.»
    «Arme alte Mom. Es konnte ihr nicht dramatisch genug sein.»
    «Du hast den Brand zu löschen versucht.»
    «Bot sich an.»
    Ich zögerte. «SisSis. Du hast mich SisSis genannt.»
    Es blieb eine Weile still. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme bitter.
    «Du hast versprochen, dich immer um mich zu kümmern, mich zu beschützen. Aber damit war es nicht weit her, nicht wahr, Charlene? Du hast mich im Stich gelassen und vergessen. So viel zur Liebe unter Geschwistern, SisSis .»
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Aber sie kam mir ohnehin zuvor. «Bist du immer noch ein guter Soldat, Charlene? Was meinst du?»
    «Warum?»
    «Weil irgendwann jeder sterben muss. Sei tapfer, Charlie. Sei tapfer …»
    Mir rieselte ein kalter Schauer über den Rücken. Auslöser waren nicht ihre Worte, sondern die Art, wie sie sie aussprach. Mit der geflüsterten Grabesstimme meiner Mutter.
    «Bitte, tu ihr nichts», sagte ich betont ruhig. «Tante Nancy hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Es geht um uns und um niemand sonst.»
    «Mir scheint, du hast doch einiges vergessen.»
    «Was willst du?»
    «Dass du Bescheid weißt.»
    «Sag es mir, und ich komme zu dir.»
    «Ja, du sollst wissen, wo ich bin.»
    Ich öffnete die Truck-Tür und stieg ein, das Handy am Ohr. Ich ahnte, was mich erwartete. 21. Januar. Der Tag, auf den die letzten zwanzig Jahre ausgerichtet waren.
    «Ich liebe dich, Abby», flüsterte ich ins Handy an die Adresse meiner Schwester, die vorhatte, mich zu töten. «Denk daran, was immer geschieht, ich liebe dich.»
    Meine kleine Schwester brach die Verbindung ab.
    Und ich dachte lange darüber nach, was ich als Nächstes tun sollte.

    Seit ich denken konnte, war mir, auch ohne dass ich es verstand, irgendwie klar gewesen, dass meine Mutter nicht richtig tickte. Im Alter von zwei oder vier oder fünf Jahren hatte ich natürlich über das, was im Einzelnen passiert war, nicht länger nachgedacht, aber was ich mitbekam, war auch im Nachhinein alles andere als angenehm, geschweige denn kindgerecht. In meiner Erinnerung fehlten Bilder einer Mutter, die ihrem Kind eine Gutenachtgeschichte vorliest und mit ihm selbstgebackene Kekse knabbert.
    In kalten Winternächten, wenn der Wind von den Bergen herabfegte und an den Fensterläden rüttelte, dachte ich an meine Mom. In dunklen Kellern, wo es nach Moder und Verwesung roch, dachte ich an sie. Einmal, als ich auf dem Schulhof vom Klettergerüst fiel und mir die Schulter auskugelte, was ein seltsames Geräusch machte, und als ich mich dann gegen einen Baumstamm stemmte, um sie wieder einzurenken, was noch seltsamer klang, da dachte ich unwillkürlich an meine Mom.
    Sie war verrückt im Sinne von ungesund. Unberechenbar, instabil, unzuverlässig. Hin und her geworfen zwischen grandiosen Höhenflügen und tiefer Verzweiflung. Ich war ihre Lieblingstochter. Ein braves Kind, das stillhielt, wenn sie mir eine Bowlingkugel auf die Füße fallen ließ.
    In der Welt meiner Mutter äußerte sich Liebe in Gewaltakten. Also hätte ich mich umso mehr geliebt fühlen sollen, je heftiger die Schmerzen waren, die sie mir zufügte.
    Verrücktheit ist erblich, müssen Sie wissen.
    In meiner Jugend hatte ich große Angst davor, eines Morgens aufzuwachen und das unwiderstehliche Bedürfnis zu empfinden, anderen weh zu tun. Dass ich plötzlich anfangen würde, meine Freundinnen zu piesacken oder meine Tante zu beschimpfen. Dass ich, statt aufzuräumen und zu putzen, in den Zimmern der Pension alles kurz und klein schlagen würde.
    Dass ich als Charlene Rosalind Carter Grant zu Bett gehen und als Christine Grant aufwachen würde.
    Zum Glück ist mir das erspart geblieben.
    Aber ich fürchte, dass meine jüngere Schwester dieses Glück nicht hatte.

    Mein erster Gedanke war, dass meine Schwester mit unserer Tante womöglich nach New Hampshire gefahren war, zurück in deren gemütliches Bed & Breakfast in den White Mountains. Aber die Fahrt dorthin dauerte mindestens drei Stunden, und so verrückt meine Schwester auch sein mochte, dumm war sie bestimmt nicht. Meine Tante führte ein kleines Unternehmen, und ihr Haus würde voller Zeugen sein.
    Viel besser für eine finale Familienzusammenführung eignete sich meine kleine Wohnung. Ein Zimmer in einem alten Haus, in dem außer mir nur noch eine alleinstehende ältere Dame lebte. Ich hoffte für meine Vermieterin, dass sie gerade unterwegs war, als

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