Der Tag, an dem du stirbst
auf.
«Dawn, haben Sie Angst vor ihm?»
Piep.
Ich rückte das Mikro des Funkgeräts vor mich hin und sagte: «Vier-einundsechzig an Neun-sechsundzwanzig.»
Neun-sechsundzwanzig alias Tom Mackereth meldete sich: «Neun-sechsundzwanzig an Vier-einundsechzig.»
«Vier-einundsechzig an Neun-sechsundzwanzig. Ich habe hier eine Frau in der Leitung», erklärte ich. «Behauptet, ihr Ehemann sei wütend und habe getrunken. Behauptet, sie habe Angst vor ihm.»
«Neun-sechsundzwanzig an Vier-einundsechzig. Wohnhaft wo?»
«Vier-einundsechzig an Neun-sechsundzwanzig. Adresse wird durchgegeben.» Ich schrieb die wenigen Daten, die mir vorlagen, in die Dispatcher-Ereignismaske und schickte sie auf den Pager von Officer Mackereth. «Vier-einundsechzig an Neun-sechsundzwanzig. Anruferin behauptet, mit ihrem Mann allein in der Wohnung zu sein. Keine Kinder oder Haustiere.»
«Neun-sechsundzwanzig an Vier-einundsechzig. Keine zusätzlichen Informationen? Personenbeschreibung? Ist der Ehemann bewaffnet? Drogen im Spiel?»
Ja, was glaubst du denn, Hornochse? , hätte ich am liebsten gesagt. Aber nicht nur der Notruf, sondern auch unser Funkdialog blieb der Nachwelt erhalten. Also hielt ich mich an die Etikette.
«Vier-einundsechzig an Neun-sechsundzwanzig. Wahrscheinlich.»
Die Anruferin war derweil beunruhigend still geblieben.
«Dawn, sind Sie noch dran?»
Piep.
Der Kontakt war wiederhergestellt. Ich beugte mich zum Monitor herüber und richtete den Sitz meines Headsets. Die Frau war jetzt besser zu hören. Ihr Atem kam stockend, und es schien, dass sie verzweifelt darum bemüht war, keine Geräusche von sich zu geben.
«Dawn, sind Sie in Ihrem Schlafzimmer?», fragte ich leise, um ihr eine Reaktion zu entlocken.
Es piepte wieder.
«Haben Sie sich im Badezimmer eingeschlossen?»
Es piepte zweimal.
Zwei Pieptöne bedeuteten nein. Ich stellte mir ein Schlafzimmer vor. «Im Schrank?»
Ein Piepton.
Ich tippte auf eine Architektur im neuenglischen Kolonialstil. «Befindet sich Ihr Schlafzimmer im Obergeschoss?»
Piep.
Ich ergänzte das Profil um die angegebenen Details und fuhr fort: «Dawn, ist Ihr Mann bewaffnet?»
Stille. Weder ja noch nein. Sollte das heißen, vielleicht?
Ich drängte auf Klärung. «Dawn, Mrs. Heinen, wissen Sie nicht, ob Ihr Mann bewaffnet ist?»
Piep.
«Das wird Officer Mackereth nicht gefallen», murmelte ich an Tulip gewandt, die mit hoch erhobenem Kopf auf den Hinterläufen hockte und mich anstarrte. Lage ungewiss – die für Einsatzkräfte typische und gefährlichste Ausgangssituation.
Ich meldete mich wieder über Funk bei 926 und brachte ihn auf den neuesten Stand: Anruferin im Schlafzimmer, Obergeschoss. Ehemann in Hörweite, könnte bewaffnet sein.
«Sind Drogen im Spiel?», fragte Officer Mackereth zum wiederholten Mal. Noch schlimmer als betrunkene Ehemänner waren Kokser oder Speed-Freaks, weil sich denen weder mit gutem Zureden noch mit Gewaltandrohung beikommen ließ. Auf so was reagierten Polizisten allergisch.
Ich wandte mich wieder an Dawn Heinen.
«Dawn, nimmt Ihr Mann Drogen?»
Piep.
Die Antwort überraschte mich nicht. Ich ergänzte das Profil entsprechend.
«Hat er heute Abend welche genommen, Dawn?»
Stille.
«Sie wissen nicht, ob er heute Abend welche genommen hat?»
Piep.
Die Finger auf der Tastatur, schloss ich die Augen und spürte, wie ich unter Druck geriet. Meine Aufgabe bestand darin, Informationen für die Einsatzkräfte vor Ort zu sammeln. Wenn ich meinen Job gut machte, war Officer Mackereth auf alle Eventualitäten vorbereitet – wenn nicht, würde er um halb zwei in der Nacht auf ein dunkles Haus zutappen und womöglich sein blaues Wunder erleben.
Ich funkte: «Vier-einundsechzig an Neun-sechsundzwanzig. Anruferin weiß nicht, ob ihr Mann bewaffnet ist. Sie weiß auch nicht, ob er heute Abend Drogen genommen hat, behauptet aber, dass er manchmal Drogen nimmt.»
«Neun-sechsundzwanzig an Vier-einundsechzig. Verstanden», erwiderte Officer Mackereth leicht ungehalten und gab durch, dass er nur noch einen Block von der Adresse entfernt sei. Er hatte Sirene und Blaulicht ausgeschaltet und gab mir damit zu verstehen, dass er sich für nicht ausreichend informiert hielt. Mit anderen Worten: Er würde sich leise nähern und die Situation vor Ort selbst einschätzen müssen.
«Hören Sie, Dawn», murmelte ich. «Ich muss mehr wissen. Es wäre besser für alle Beteiligten …»
Am anderen Ende der Leitung war nur flacher Atem zu hören. Ich
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