Der Tag, an dem du stirbst
wundervollen Wie-habe-ich-jemals-ohne-sie-leben-können-Tasse des Glücks.
Phil kehrte mit einer eigenen Tasse zurück. Die Manöverkritik konnte beginnen.
«Wir haben einen Chatroom ausfindig gemacht», verkündete O.
«Genauer gesagt, Kopien von Chatroom-Gesprächen», präzisierte Phil und schaute seine Partnerin an.
«Von außen kommt man da nicht ran», erklärte O. «Man muss eingeladen werden, um mitreden zu können.»
«Wie es aussieht, nehmen Mitglieder aus aller Welt daran teil. Die jeweiligen Server ausfindig zu machen, dürfte ziemlich langwierig sein», sagte Phil.
«Aber es ist definitiv eine Testseite», betonte O.
«Was wird denn da getestet?», fragte D.D. mit krauser Stirn und hielt ihre Tasse schützend vor sich. Computerchinesisch war in Stereo nicht einfacher zu verstehen als in Mono.
«Pädophile Neigungen», erklärte O. «Dort treffen sich Gleichgesinnte und tauschen Erfahrungen aus.»
D.D. stellte ihre Tasse ab. «Wie bitte?»
«Wir beobachten diesen Trend schon seit ein paar Jahren», antwortete O mit wegwerfender Handbewegung, um deutlich zu machen, dass es sich für sie um olle Kamellen handelte. «Die Kinderschänder werden selbst immer jünger. Wir glauben, dass dieser Umstand unmittelbar auf die Nutzung einschlägiger Chatrooms zurückzuführen ist. Unser Fund ist ein weiterer Beleg dafür.»
Neil hob seinen Kopf von den Armen und starrte die dunkelhaarige Kollegin von der Sitte an. «Noch mal», sagte er. «Und bitte etwas langsamer.»
O verdrehte die Augen. «Okay. Zum Mitschreiben. Unsere Gesellschaft hat Normen, unter anderem die, dass Kinder nicht als Sexobjekte zu betrachten sind. Aber genau das tun Päderasten. Verallgemeinert gesprochen, kämpft ein Päderast in der Regel jahrelang gegen seine abnormen Phantasien an. Er weiß, dass sie inakzeptabel sind, und versucht, seinem Drang zu widerstehen. Manchen gelingt es auf Dauer, anderen leider nicht. Sie geben irgendwann nach und geraten auf die schiefe Bahn.
Die meisten Sexualstraftäter sind Mitte zwanzig bis Mitte dreißig, also voll straffähig. Es gibt da gewisse Ausnahmen – minderjährige Babysitter, die sich an den kleinen Kindern vergreifen, auf die sie aufpassen sollen. Aber das sind meist spontane Übergriffe ohne Vorsatz. Das ‹klassische› Profil eines pädophilen Straftäters ist die ältere Person männlichen Geschlechts. In jüngster Zeit aber verzeichnen wir zunehmend Straftaten von Jugendlichen an Kindern. Die jugendlichen Straftäter gehen ganz ähnlich vor, was Opferauswahl und Anmache betrifft. Die Website, auf die wir gestoßen sind, bestätigt unsere Vermutung, dass diese Teenager ihre abweichenden Phantasien nicht mehr unterdrücken, sondern im Internet nach Gleichgesinnten suchen, um sich bestätigen und beraten zu lassen. Wir beobachten, dass Hardcore-Päderasten solche Chatrooms nicht zuletzt auch dazu nutzen, die nächste Generation von Kinderschändern heranzuziehen, was zu einem sprunghaften Anstieg von Übergriffen führt.»
«Ich schalte meinen Computer nie mehr ein», sagte D.D.
«Bitte», flehte Phil müde. «Wir haben die ganze Nacht Protokolle solcher Chatrooms gelesen. Ich will jetzt nach Hause und meine Augäpfel bleichen.»
«Ihr sprecht immer von Kopien», sagte D.D. «Was habe ich darunter zu verstehen?»
«Opfer Nummer zwei», antwortete Phil. «Stephen Laurent hatte etliche Chatroom-Gespräche auf seiner Festplatte gespeichert, darunter eines, in dem dazu geraten wird, sich mit kleinen Hunden an Kinder heranzumachen. In einem anderen Gespräch geht es um verschiedene Websites für Kinder und die Empfehlung, dort nach potenziellen Opfern zu suchen. Die Möglichkeiten einer Kontaktaufnahme sind sehr detailliert beschrieben. Zum Beispiel wird erklärt, wie sich in Erfahrung bringen lässt, wo das potenzielle Opfer wohnt.»
«Dieser Stephen Laurent hat eine Art Handbuch verfasst», meinte Neil angewidert. «Eine verdammte Anleitung mit Fotos und allem drum und dran.»
Detective O streckte den Arm aus und tätschelte Neils Handrücken. Der Rotschopf zuckte zusammen und richtete sich auf.
«Brauchen Sie Hilfe?», fragte O freundlich. «Wenn Sie wollen, schaue ich mir diese Fotos mit Ihnen zusammen an.»
«Ich kann sie nicht mehr sehen. Es ist … Ich nehme die Opfer nicht mehr als Kinder wahr, und das ist falsch. Völlig daneben. Ich kann das nicht mehr.» Neil wandte sich an D.D. «Mir reicht’s.»
Sie nickte. «Ich verstehe, und du hast recht, Neil. Es sind Kinder.
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