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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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Als ich mich immer noch nicht von der Stelle rührte, ging sie auf mich zu und riss mir gewaltsam alle Kleider vom Leib, während ich mich heftig wehrte und schrie. Ich biss sie sogar in die Hand, da verpasste sie mir eine saftige Ohrfeige. Und dann noch eine und noch eine. Plötzlich war sie nicht mehr zu halten, sie schlug mich windelweich, bis ich winselnd und um Gnade flehend am Boden lag. „Schwein!“, sagte sie angewidert und zündete sich eine Zigarette an. Seit kurzem rauchte sie.
    „Mama, was habe ich denn getan?“, schluchzte ich. Mein ganzer Körper brannte vor ihren brutalen Schlägen.
    „Du bist ein widerliches Schwein“, wiederholte sie. „Alle Männer sind widerliche Schweine!“, stellte sie kalt fest, „und so etwas Widerwärtiges will ich nicht in meinem Haus haben! Deswegen bist du ab jetzt ein Mädchen, wenn du mit mir unter einem Dach lebst. Draußen bist du weiterhin ein Junge, aber hier drin wirst du ein Mädchen sein. Dich so kleiden und dich so verhalten wie ein Mädchen. Nun, steh schon auf und probiere deine neuen Kleider an, du undankbares Stück, ich habe viel Geld dafür ausgegeben!“
    „Aber Mama“, weinte ich leise, „wie kann ich denn ein Mädchen sein? Ich bin doch ein Junge!“
    „Habe ich dir erlaubt, zu sprechen?“
    „Nein, Mama“, stammelte ich leise, als sie mir wieder bedrohlich nah e kam. „Entschuldige bitte.“
    „Ich verzeihe dir, David“, sagte sie bedächtig, während sie an ihrer Zigarette zog , „aber du musst mir gehorchen. Ab jetzt werde ich dich Davia nennen.“ Danach probierte ich ein Kleid nach dem anderen an, und sie grunzte zufrieden, als alle passten. „Gut, Davia. Hier zu Hause darfst du nichts anderes mehr tragen, ist es klar?“
    „Ja, Mama“, antwortete ich. Ich sah ihr ganz genau an, dass sie sich nach einem Drink sehnte, denn ihr Blick wurde glasig und ihre Hände zitterten. „Mama?“, traute ich mich zögernd, sie anzusprechen.
    „Ja?“ Sie war bereits auf dem Weg in die Küche, wo sie sich jeden Abend zu besaufen pflegte.
    „Darf ich dich etwas fragen?“
    „Ja, aber mach schnell!“, sagte sie kurz angebunden.
    „Wenn ich in der Schule immer noch ein Junge bin, dann brauche ich neue Klamotten“, flüsterte ich ängstlich und wartete mit wild pochendem Herzen auf ihre Reaktion. Würde sie mich schon wieder schlagen? Doch sie zuckte nur gleichgültig mit den Schultern.
    „Passen dir die alten nicht mehr?“, erkundigte sie sich ohne großes Interesse, während sie eine Flasche Schnaps öffnete.
    „Sie sind mir viel zu klein geworden“, gab ich kleinlaut zu.
    „Na gut, meinetwegen!“, lächelte sie versöhnt, nachdem sie den ersten Schluck direkt aus der Flasche nahm und sich eine neue Zigarette anzündete. „Ich kaufe dir morgen neues Zeug. Bist du jetzt zufrieden?“
    „Danke, Mama“, flüsterte ich und ging auf den Zehenspitzen auf mein Zimmer.
    Plötzlich stand sie an der Türschwelle, sah mich an und lallte besoffen: „Hast du deine Mutter lieb?“
    „Natürlich, habe ich dich lieb, Mama!“, schluchzte ich und hoffte, dass sie wieder zur Besinnung gekommen war.
    „Dann gib deiner Mama einen Kuss!“, verlangte sie. Sie hatte mir noch nie zuvor einen Gutenachtkuss gegeben. Sie hatte mich auch noch nie zuvor geschlagen. Also, tat es ihr leid, also, liebte sie mich noch! Meine Mutter liebte mich, es war alles gut. Morgen würde sie die komischen Mädchenklamotten umtauschen und mir neue Anziehsachen bringen. Dann würden mich die Kinder in der Schule endlich in Ruhe lassen. Ich öffnete meine schmalen Kinderarme für eine Umarmung, die meine Mutter erwiderte. Sie stank nach Schnaps, Rauch und abgestandenem Schweiß, aber es machte mir nichts aus. Ich war bereit, alles zu ertragen, solange sie mich nur liebte. „Du bist ein braves Mädchen, Davia!“, sagte sie zufrieden, bevor sie mich losließ und zur Tür hinausging.
    „Komm mich holen, Tante Grace, komm mich holen!“, wiederholte ich immer wieder in meinen Gedanken, die ich auf keinen Fall laut aussprechen durfte. Nicht einmal flüstern. Nur denken. Sie würde mich schon hören. Sie würde kommen. „Bitte, Tante Grace, bitte! Komm mich holen, sei meine Mama! Ich will, dass du meine Mama bist, und nicht sie .“
    Doch sie kam nicht. Sie hatte mich im Stich gelassen. Aber Tante Abigail kam pünktlich, um mich abzuholen. Ich rannte auf sie zu und drückte meinen Kopf in ihren Schoß. „David, Schätzchen, wie siehst du denn aus?“, lachte sie, als sie

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