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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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mich in einem Mädchenkleid sah. „Hast du gespielt?“
    „Du musst nicht mehr auf David aufpassen“, sagte meine Mutter, die wie ein bedrohlicher Schatten hinter uns erschien.
    „Aber wieso denn nicht, Chloe?“, fragte Avas Mutter überrascht, „ich passe gerne auf ihn auf. Ist etwas passiert?“, hackte sie besorgt nach, als ihr Blick zwischen mir und meiner Mutter huschte.
    „Ob was passiert ist?“, lachte meine Mutter schallend. „Oh ja, eine ganze Menge! Mein Mann hat mich mit meiner eigenen Schwester betrogen und ist mit ihr durchgebrannt! Und mich mit diesem Balg hier sitzen gelassen.“
    „ Chloe, du musst endlich mit dem Trinken aufhören!“, sagte Tante Abigail mit Nachdruck. „Und lass den Jungen nicht so herumlaufen, das ist doch krank! Woher hat er überhaupt dieses Kleid?“
    Anstatt einer Antwort rülpste meine Mutter laut. „David ist jetzt groß genug, er kann selbst auf sich aufpassen“, lallte sie und stützte sich an dem Türrahmen ab. „Was Ava angeht, darfst du sie nach wie vor hierher bringen. Unter einer Bedingung: Sowohl du als auch sie müsst die Klappe halten! Was hier drin vor sich geht, geht nur mich und mein e Tochter etwas an.“ Tante Abigail starrte sie geschockt an, bevor meine Mutter die Tür vor ihrer Nase zuknallte. Trotzdem lieferte sie Ava jeden zweiten Tag bei uns ab. Ich wusste ganz genau, dass sie es nur tat, um mich nicht mit meiner durchgeknallten Mutter allein zu lassen. Seit einigen Monaten ging sie nur noch jeden zweiten Tag arbeiten, da sie jetzt eine Witwenrente bezog. Eines Tages besuchte uns ein Anwalt, der meiner Mutter eröffnete, dass mein Vater und meine Tante Grace bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Und, da die Scheidung noch nicht rechtskräftig war, hatte meine Mutter einen Anspruch auf das Vermögen ihres verstorbenen Gatten, auf den Erlös aus seiner Lebensversicherung und auf eine Witwenrente. Es war zwar nicht übermäßig viel, aber es reichte für die nötigsten Ausgaben. Deswegen ließ sie es sich gut gehen, reduzierte ihre Arbeitsstunden in der Fabrik auf ein Minimum und widmete sich voll und ganz ihren zwei Hobbys: Dem Alkohol und der Erziehung ihrer „Tochter“. Ich durfte meine Haare nicht mehr schneiden lassen. Bevor ich in die Schule ging, band ich sie zu einem Pferdeschwanz zusammen, trotzdem bemerkten die Kinder aus meiner Klasse es und spuckten mich jeden Tag mit Kaugummis voll, die Ava sorgfältig aus meinen Haaren herauskämmte. „Du Mädchen, du Pussi!“, beschimpften sich mich. Immer öfter hatte ich eine geschwollene Wange oder ein blaues Auge, doch meiner Mutter war es vollkommen egal. Erst, als ich eines Tages mit herausgeschlagenen Vorderzähnen aus der Schule kam, laut heulend und mit Blut überströmt, wachte sie endlich auf. Sie brachte mich zum Zahnarzt und zahlte stillschweigend die saftige Rechnung für die Implantate, der er mir eingesetzt hatte.
    „Da wir schon dabei sind, Herr Doktor“, sagte sie seelenruhig, „Davids Überbiss hat mich schon immer gestört. Den hat er von seinem Vater geerbt. Finden Sie nicht auch, dass er sein hübsches Gesicht ruiniert?“
    „Ich weiß nicht, Mrs. Lewis“, antwortete der Zahnarzt unsicher. „Ehrlich gesagt, finde ich seinen leichten Überbiss nicht so dramatisch.“
    „Aber er leidet d arunter, nicht wahr, David?“ Ich sah in die eiskalten Augen meiner Mutter und merkte, wie sie ihre Augenbrauen hob. Wie sich ihre Hände zu bedrohlichen Fäusten bildeten.
    „Ja, ich leide unter meinem Überbiss“, stimmte ich meiner Mutter brav zu, und ihre Gesichtszüge entspannten sich wieder. Sie zückte ihr Checkbuch aus der Handtasche, und die Augen des Arztes blitzten gierig auf.
    „Ich weiß nicht recht, Mrs. Lewis“, wiederholte er, eher weniger überzeugt. „Es ist nicht üblich, einem Kind in Davids Alter, das über ein gesundes Gebiss verfügt, sämtliche Zähne herauszuziehen, um sie durch Implantate zu ersetzen. Nur aus kosmetischen Gründen…“ Sein Blick schnellte zu dem Checkbuch, das meine Mutter nun demonstrativ hochhielt. „Aber, wenn Sie darauf bestehen…“
    „Wir bestehen darauf!“, sagte sie mit einer festen Stimme. „Verpassen Sie ihm makellose, perfekt gerade, schneeweiße Zähne, Doktor! Das Geld spielt keine Rolle!“
    „Aber die Schmerzen…“, wandte er schwach ein.
    „Setzen Sie ihn unter Vollnarkose!“, befahl meine Mutter.
    „Gut, wie Sie wünschen, Mrs. Lewis“, sagte der Arzt, der nur noch Dollarzeichen in den Augen

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