Der Tag an dem ich erwachte
schüttelte energisch mit dem Kopf. „Ich soll mich nicht verpissen?“, interpretierte er mein Kopfschütteln zu seinen Gunsten und lächelte glücklich.
„Nein, du sollst bleiben“, hauchte ich leise. „Ich weiß selbst nicht, was das Ganze soll, Robert“, gab ich zögernd zu. „Ich liebe Greg, aber in letzter Zeit bin ich nicht mehr mit ihm glücklich. Dabei tut er wirklich alles für mich, und ich fühle mich schuldig, weil ich ihn so hintergehe… Was ist nur mit mir los?“, rief ich verzweifelt.
„Was mit dir los ist?“, lachte Robert laut, bevor er mich leidenschaftlich auf den Mund küsste und zufrieden feststellte, dass ich erregt aufstöhnte. „ Das ist mit dir los, Süße! Du bist eine aufregende, wunderschöne Frau in der Blüte ihrer Jugend, die von einem verbitterten alten Sack, der höchstwahrscheinlich keinen mehr hochkriegt, eingesperrt wird. Du bist jung, du willst leben, deine Jugend genießen. Während dein Göttergatte, der bereits mit einem Fuß im Grab steht, lediglich seine Ruhe haben will. So ist es doch?“
Ich nickte schweigend, denn er traf es wirklich auf den Punkt. Greg war nicht mehr dazu imstande, mir zu geben, was ich brauchte. Was ich mir von meinem Leben erhoffte, wonach ich mich sehnte. Ich wollte so viel, wurde mir plötzlich klar. Reisen, neue Menschen kennen lernen, mich verwirklichen… In die große, weite Welt hinausgehen. Neue Dinge erleben. Vielleicht hatte ich deswegen immer Durst. Weil es mir förmlich nach Leben dürstete. Nach dem Leben, das Greg mir verweigerte, weil er mich für sich allein haben wollte.
„Soll ich dir sagen, was ich denke, Gail?“, fragte Robert, und ich nickte schon wieder. „Ich denke, dass dieser alte Wichser dich für seine egoistischen Zwecke ausnutzt. Doch mittlerweile bist du aufgewacht, schöne Rapunzel. Du brauchst einen Prinzen, der dich von diesem bösen Zauberer rettet. Lass mich dein Prinz sein!“, bat er mich, während er mich verliebt ansah, „ich werde dich nicht enttäuschen!“
„Du bist bereits mein Prinz“, schmunzelte ich und ließ meine Hand durch seine wunderbar volle, lockige Haarpracht, die köstlich nach Jugend und Hoffnung roch, genüsslich gleiten. „Aber es ist leider nicht so einfach, wie du es dir vorstellst“, sagte ich traurig, und mein Lächeln verwandelte sich in eine verzweifelte Trauergrimasse. Das Schlimmste an der Sache war, dass ich selbst nicht wusste, ob ich ehrlich zu Robert war oder ihm meine Gefühle nur vorspielte, war ich doch mittlerweile daran gewöhnt, ständig etwas vorzuspielen. Doch Robert schien mir zu glauben.
„Womöglich ist es doch einfacher als du denkst“, strahlte er übers ganze Gesicht. „Was du weißt, ist, dass Greg, dein Ehemann, dieser alte Mistkerl, meine Zukunft aus einer Laune heraus ruiniert hat. Was du jedoch nicht weißt, ist die Tatsache, dass ich einen Onkel habe.“ Er legte eine Pause ein und sah mich erwartungsvoll an, anscheinend rechnete er mit neugierigen Fragen, doch ich ließ mich auf sein Spielchen nicht ein. In den letzten Jahren hatte ich genug Spielchen gespielt. Mehr als genug.
„Fast jeder hat einen Onkel, Robert“, erwiderte ich und bemühte mich um ein gelangweiltes Gähnen. „Was ist daran so spektakulär?“
„Die Tatsache, dass mein Onkel ein Multimillionär ist!“, beeilte sich Robert, mich zu aufzuklären. „Er hat keine eigenen Kinder, also bin ich sein einziger Erbe. Er hatte schon immer eine Schwäche für mich, aber auch ich für ihn. Mein Lieblingsonkel und ich sind Seelenverwandte, musst du wissen“, vertraute er mir an. „Wir beide sind Freigeister, die sich weigern, sich in irgendwelche Schranken weisen zu lassen. Seinen Reichtum verdankt er einzig und allein einer beinahe übersinnlichen Eingebung. Eines Tages wachte er auf und dachte entspannt: „Wieso spiele ich eigentlich nicht an der Börse?“ Gesagt, getan. Er tat es und wurde über Nacht zum Millionär. Doch, anstatt sein plötzlich gewonnenes Vermögen sicher anzulegen, setzte er das ganze Geld auf die Aktien einer kleinen Firma, die damals ein einziges Getränk herstellte, das kaum jemand kannte. Es war zufällig das Lieblingsgetränk meines Onkels, er war ganz verrückt nach dem Zeug. Die ganze Familie tobte vor Wut, aber er blieb, wie gewohnt, entspannt. „Was habt ihr bloß alle?“, sagte er, „ist doch mein Geld. Ich mache damit, was ich will, ihr Aasgeier.“ In ein paar Jahren erfreute sich dieses Getränk weltweiter Beliebtheit, aus der
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