Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
Vom Netzwerk:
erwiderte ich brav, und er nickte zufrieden. Danach schloss er leise die Tür hinter sich zu und überließ mich einem Alptraum aus Angst und unsagbaren Schmerzen. Die ganze Nacht lang heulte ich wie ein verletzter Wolf, bis mir die Kehle wehtat. Gleichzeitig tat mir mein ganzer Körper weh, was wahrscheinlich an dem Opiumentzug lag. Als er am nächsten Morgen endlich das Zimmer betrat, meinte ich, an meinen Schmerzen gleich sterben zu müssen. In gewisser Weise sehnte ich mich sogar nach dem Tod. Doch er las meine Gedanken sofort und belehrte mich eines Besseren.
    „Galatea, du willst nicht sterben!“, schmunzelte er amüsiert. „Ich kenne dich viel besser als du selbst. Du willst leben und glücklich sein. Schließ deine Auge n!“, befahl er mir, und ich tat wie mir geheißen, während ich das Pieksen einer Spritze in meinem Arm spürte. Danach ging es mir gleich viel besser. Morphium… „Das hast du dir verdient!“, sagte er anerkennend.
    „Danke, Gebieter!“, flüsterte ich, bevor ich in einen wunderbar traumlosen Schlaf fiel. Als ich aufwachte, waren meine Schnittwunden wieder zugenäht, und meine Lippen fühlten sich eigenartig geschwollen und taub an. Ich nahm es locker hin, da ich in den letzten Monaten viel Schlimmeres über mich ergehen lassen musste. Greg, mein Gebieter, war bei mir und hielt mir fürsorglich einen Strohhalm zwischen die Lippen, damit ich trinken konnte. Nachdem ich meinen Durst gestillt hatte, bedankte ich mich überschwänglich.
    „Ich bin sehr zufrieden mit dir, Galatea“, lächelte mein Gebieter, „du entwickelst dich bereits so gut, dass ich mich zu meiner Wahl beglückwünsche. Ich habe mich richtig entschieden. Dabei warst du nicht einmal meine erste Wahl… Du kannst dich wirklich glücklich schätzen!“
    „Ich bin sehr glücklich und dankbar, Gebieter“, erwiderte ich aufrichtig.
    „Wofür genau bist du dankbar, Galatea?“, wollte e r wissen und fixierte mich mit seinem allwissenden Blick. Ich wusste bereits, dass er in der Lage war, meine geheimsten Gedanken zu lesen. Dass ich rein gar nichts vor ihm verstecken konnte.
    „Für das neue Leben, das du mir schenkst!“, riet ich auf gut Glück und traf ins Schwarze.
    „Gut geraten, Galatea!“, lobte er mich, und mein Herz schwoll vor lauter Liebe über. Ich sah ihn an, versuchte, seinen Anblick in meinem Gedächtnis einzuprägen, bevor er das Licht wieder ausschaltete. Damit ich etwas hatte, wovon ich träumen konnte. Worauf ich mich freuen konnte. Mit der Zeit lernte ich es nach und nach, ihm zu gehorchen. Gleichzeitig lernte ich mich selbst auf’ s Neue kennen. Lernte es, mein neues Ich zu lieben, damit auch er mich endlich lieben konnte. Dabei ging ich durch Höhen und Tiefen, schwankte zwischen den grausamsten Qualen und erhabenster Glückseligkeit. Bis er mir eines Tages feierlich verkündete, dass ich endlich soweit war. „Es ist soweit!“, sagte er, und ich sank auf die Knie. Er half mir hoch, sah mir ernst in die Augen und küsste mich zärtlich auf den Mund. Langsam und zögerlich erwiderte ich seinen Kuss. „Mein Liebling, meine Göttin!“, stammelte er entzückt, „mein Leben, mein Glück, meine Schöpfung!
    „Bin ich jetzt vollendet?“, fragte ich und schloss meine Augen. Zuckte ängstlich zusammen, während ich auf seine Bestr afung wartete. Denn er hatte mir nicht erlaubt, zu sprechen. Doch er bestrafte mich nicht. War es etwa schon wieder eine gemeine Falle, in die er mich lockte, fragte ich mich wachsam, gegen das Schlimmste gewappnet.
    „Du bist vollendet, Galatea!“, sagte er feierlich. „Du bist die Perfektion in Person, die perfekte Frau, die sich jeder Mann wünscht. Doch nur ich darf dich besitzen. Ab jetzt wird dein Leben ein Paradies auf Erden sein, folge mir!“, forderte er mich auf. Ich trottete hinter ihm her wie ein treuer Hund. Als er mir m ein Zimmer zeigte („Unser Schlafzimmer, Liebling!“), war ich mir nicht sicher, ob ich das Ganze nur träumte.
    Wenngleich er mich wahrhaftig auf Händen trug, war mein Dasein stets von heimlichen Zweifeln geprägt, ich schwebte in einem eigenartigen Zustand, gefangen zwischen Traum und Wachsein. Zwischen Einbildung und Realität. Jedes Mal, bevor ich die Augen aufmachte, ertappte ich mich dabei, mich zu fragen, was ich gleich sehen würde: Die weißen Wände meines Krankenzimmers, die grauen Wände des Kellers oder die edle Tapete meines Schlafzimmers? Würde Greg gleich mit dem Frühstück hineinkommen und mir einen zärtlichen

Weitere Kostenlose Bücher