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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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ein. Wertvolle Weingläser aus Kristall mit vergoldeten Rändern. Greg liebte es, von schönen Dingen umgeben zu sein, und ich war eines davon. Ein schönes Ding, nicht mehr und nicht weniger. Ein Beweis für seinen guten Geschmack und für seine Genialität. Eine weitere Streicheleinheit für sein aufgeblasenes Ego. „An was denkst du, Schatz?“, fragte er, während er sein Weinglas schwenkte, um das köstliche Aroma besser zur Geltung zu bringen.
    „An dich, Greg“, antwortete ich wahrheitsgemäß, und sein zufriedenes Grinsen wurde breiter.
    „Nun setz dich endlich hin, Gail“, erlaubte er mir gönnerhaft, während ich damit beschäftigt war, die Lammrippchen auseinander zu schneiden. Ich spürte, wie fest meine Finger das scharfe Messer umklammerten und spielte mit dem Gedanken… Nur für den Bruchteil einer Sekunde… Nein, es war keine gute Idee. Wenngleich ich bei der Vorstellung, mich blitzschnell umzudrehen und, bevor er reagieren konnte, ihm genau dieses Messer direkt ins Herz zu rammen, wohlig erschauderte. Wie unzählige Male zuvor. Fast wie bei einem sexuellen Höhepunkt. Nein, reiß dich zusammen, sagte ich zu mir im Stillen. Die Vorfreude ist die schönste Freude, wie es so schön heißt. „Koste den Wein, Gail!“, verlangte Greg, „er hat mich einst ein Vermögen gekostet. Ich bewahre ihn schon seit Jahren für einen ganz besonderen Anlass auf. Und heute ist ein besonderer Anlass, nicht wahr?“
    Absolut, dachte ic h grimmig. Lächelte ihn liebevoll an und nahm einen kleinen Schluck von der rubinroten Flüssigkeit. Ich konnte noch nie viel seinen erlesenen Weinen abgewinnen, für mich schmeckten sie alle gleich: Säuerlich und bitter. Wie mein Leben an Gregs Seite. Ich bevorzugte härtere Drinks, die ich mittels anderer Zutaten „weicher“ machte, bis sie genießbar genug waren, um sie in Unmengen in mich hineinzuschütten. Bis der vertraute, angenehme Zustand kam, der alles andere ausblendete.
    „Wieso denn auf einmal so schüchtern, Prinzessin?“, schmunzelte Greg. „Schmeckt dir der Wein nicht? Soll ich eine andere Flasche aufmachen?“
    „Nein, Geliebter, er schmeckt wunderbar!“, beteuerte ich, „es ist nur so, dass ich bereits ein Paar Drinks intus habe“, gab ich schüchtern zu, und er verdrehte in gespielter Verärgerung die Augen. „Morgen muss ich fit sein, da wir ja einiges vorhaben“, erklärte ich, „also mache ich ab jetzt lieber langsam mit dem Alkohol. Du bist mir doch nicht böse?“, erkundigte ich mich besorgt.
    „Als ob ich dir je wirklich böse sein könnte!“, erwiderte Greg voller aufrichtiger Zuneigung. „Aber dieses Glas trinkst du noch aus, ja?“
    „Natürlich, Liebling. Der Rest gehört dir. Wie wäre es, wenn wir es uns nach dem Dessert so richtig gemütlich auf der Couch machen und uns einen schönen, romantischen Film ansehen?“ Greg nickte zustimmend mit dem Kopf, strahlte begeistert und wirkte so glücklich wie schon lange nicht mehr. Irgendwie erschien es mir richtig, ihm seinen letzten Abend auf dieser Erde so angenehm wie möglich zu gestalten. Trotz allem, was er mir angetan hatte, verspürte ich einen unerklärlichen Drang danach, ihn zu verwöhnen. Zum allerletzten Mal. Die Brownies waren mir perfekt gelungen, sie waren wunderbar locker, nicht zu süß und innen schön weich, die geschmolzene Schokoladenfüllung floss bereitwillig heraus und schloss kurzerhand eine liebevolle Verbindung mit der Limoncello Sahne und einer Kugel Vanilleeis, die ich daneben drapierte. Ganz dekorativ zwischen den vielen kleinen Minzeblättchen. Wie ich es einst von Tante Grace gelernt hatte, vor langer Zeit, in einem anderen Leben… Eine perfekte Geschmacksexplosion, wie Greg es begeistert bezeichnete. Danach machten wir es uns auf der Couch bequem. Greg nippte weiterhin an seinem ach so tollen Wein, und ich an meiner obligatorischen Wasserflasche. Ich durfte mir den Film aussuchen und entschied mich für „Frühstück bei Tiffany“.
    „Aber, Schatz, kennst du den Streifen nicht bereits auswendig?“, schmunzelte Greg, während er sich den Rest aus der Weinflasche in sein Glas eingoss.
    „Doch, allerdings“, gab ich zu, „trotzdem liebe ich den Film.“
    „Mein süßer Liebling!“, lallte Greg gerührt und mittlerweile so betrunken, dass ich endlich erleichtert darüber sein konnte, in dieser Nacht nicht belästigt von ihm zu werden. Wir saßen eng umschlungen auf der Couch, und, als der berühmte Satz: „ Übelall ist Lauschgift!“, ertönte,

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