Der Tag an dem ich erwachte
Verdacht geschöpft?“, fragte ich fassungslos, bevor mir klar wurde, dass ich die falsche Frage gestellt hatte. Ryans Kopf schnellte augenblicklich hoch, er sah mich so unvermittelt und voller nackter Wut an, dass ich erschrocken zusammenfuhr und nach Luft schnappte. Seine Augen leuchteten beinahe monströs, seine Pupillen waren stark geweitet, wie die eines Wahnsinnigen.
„Diese verdammte Hure!“, zischte er wie eine Schlange und verengte die Augen, die nach wie vor mich fixierten. Ich spürte, wie mir der kalte Schweiß ausbrach. „Es wundert mich immer noch, dass diese widerliche, verrückte alte Schachtel eines natürlichen Todes starb. Dabei spielte ich so oft mit dem Gedanken, es in meine Hand zu nehmen, um ihren Abgang aus „diesem sündigen Leben“, wie sie es gern bezeichnete, zu beschleunigen! Ich stellte mir unzählige Arten vor, auf die ich sie töten konnte, diese Fantasien wurden im Laufe der Zeit zu meiner sicheren Einschlafhilfe. So wie bei den anderen Kindern die hübschen Gute Nacht Geschichten“, lachte er gehässig, und es lief mir schon wieder kalt den Rücken runter. „Weißt du, was mich davon abhielt?“ Ich schüttelte langsam den Kopf und war mir nicht sicher, ob ich es hören wollte, doch es schien ihm egal zu sein, dafür hatte er mir bereits viel zu viel anvertraut. „Es war die Gewissheit, dass ich nach dem Tod der alten Hexe definitiv in ein Kinderheim kommen würde, wo ich vermutlich anderen Männern, die ähnlich tickten wie er , ausgeliefert sein würde. Deswegen musste ich in den sauren, verdammt sauren Apfel beißen und die alte Schabracke am Leben lassen! Nur deshalb. Schließlich hatte es ein Herzinfarkt für mich erledigt. Sie erledigt. Da war ich bereits an der Uni, sie lebte verdammt lange! So ein langes Leben hat diese alte Hexe wirklich nicht verdient, aber der liebe Gott war da anscheinend anderer Meinung. Immerhin erbte ich wenigstens ihr Vermögen. Ich hatte schon befürchtet, sie würde alles der Kirche spenden. Womöglich hätte sie es auch getan, aber der Tod kam ihr zum Glück zuvor. Der plötzliche Reichtum stieg mir zu Kopf. Ich kaufte mir eine Wohnung, die ich betont maskulin einrichtete, als wollte ich mir selbst etwas beweisen. Und mehrere teure, schöne, schnelle Autos, mit denen ich durch die Gegend raste, um so viele Frauen wie möglich zu beeindrucken. Ich legte sie der Reihe nach flach, am Anfang führte ich sogar eine Strichliste. All das, um mir selbst zu beweisen, dass ich keine verdammte Schwuchtel bin.“
„Und er ?“, fragte ich vorsichtig, während ich mit einem weiteren Wutanfall rechnete. Dabei fiel mir auf, dass Ryan so ähnlich von ihm sprach, wie ich während meiner Alpträume (die vermutlich eine Erinnerung waren, oh Gott, bitte nicht!) von Ihm dachte.
„Der Mistkerl bekam schließlich das, was er verdient hatte“, sagte Ryan zufrieden. „Eine besorgte Mutter, die ihren Sprössling vertrauensvoll der Obhut dieses Monsters überließ, hatte etwas bemerkt. Im Gegensatz zu meiner Tante, dieser Hure, möge sie für immer in der Hölle schmoren! Ihr kleiner Junge wurde immer verstörter und wollte nie zum Bibelunterricht in die Kirchengemeinde gehen. Am Anfang nahm sie es noch nicht ernst, doch eines Tages entdeckte sie Blutspuren in seiner Unterhose und zeigte diese überrascht ihrem Ehemann. Komischerweise wusste er sofort, was Sache war. Er eilte aus dem Haus, bewaffnet mit einem Schneeschieber (es war Winter) und schrie laut, er würde dem Mistkerl den Schädel damit einschlagen. Gleichzeitig rief seine Frau die Polizei, die zum Glück schnell genug eintraf, sodass die Familie mit einem blauen Auge davon kam. Damit meine ich, dass der Vater des Jungen nicht ins Gefängnis musste. Dafür aber der widerliche Hurensohn, die miese Schwuchtel, der Kinderficker. Oh ja, er kam in den Knast, jawohl. Als er eingesperrt wurde, trauten sich immer mehr Knaben und eröffneten ihren schockierten Eltern, was er mit ihnen nach der Bibelstunde veranstaltete. Der Rest der Geschichte dürfte dir bekannt sein.“
„ Er war bereits alt, verdammt noch mal!“, sagte ich voller Bedauern. „Und er litt unter einer schlimmen Thrombose, weswegen er Kompressionsstrümpfe tragen musste.“
„Ja, Gail. Er hatte das Glück, sich sein wertloses Leben selbst nehmen zu dürfen, indem er sich an den Scheißdingern erhängte. Das ist so ungerecht!“, schnaubte er bitter. „Du weißt ja, was in den Gefängnissen mit den Kinderschändern passiert… Doch er
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